Die Blutnacht: Roman (German Edition)
noch besseren Grund gab. Dieser Schotte, dessen trauriges Schicksal Ihr kennt, besaß eine kleine Pension. Seit sie meiner Schwester gehört, blüht das Geschäft. Sie beherbergt Rechtsanwälte aus der Provinz, aber seit heute Morgen sind wohl ein, zwei Räume zu haben.«
»Niemand außer ihr und uns darf wissen, dass die Kinder dort sind.«
»Meine Schwester verhandelt hart.«
»Mein Angebot an Euch: Sind die Kinder in Sicherheit, wenn ich sie abholen komme, dann bezahle ich Euch fürstlich. Wenn nicht, dann erdrossele ich Euch mit Eurer eigenen Bogensehne.«
Beim Petit Châtelet ließ Frogier Tannhäuser in dem großen gewölbten Durchgang stehen, während er den Diebstahl seines Köchers durch Unbekannte melden ging. Die zahlreichen hier anwesenden Sergents schienen mit ihrem Schicksal zu hadern. Sie wirkten an diesem Tag, der ein verschlafener Sonntag hätte sein sollen, ziemlich angespannt und ärgerlich. Wie Frogier steckten sie zu tief in der Korruption, um vom Blutrausch erfasst zu werden. Sie warfen neugierige Blicke auf Tannhäusers Passagiere, kamen aber nicht näher.
Tannhäuser schaute durch den nördlichen Torbogen des Durchgangs. Außer einer Pyramide von Leichen war die kurze Straße über die Brücke menschenleer. Am anderen Ende sah er den Grund, warum das so war und warum die Sergents ungehalten waren. Dort stand eine Abteilung der Bürgermiliz und bewachte die Kette. Die Männer schauten, als hätte Gott selbst ihnen diese Aufgabe in Stein gemeißelt übergeben.
Tannhäuser riskierte einen Blick auf seine jungen Schützlinge. Alle fünf hatten sich an eine Seite des Karrens gedrückt und starrten ihn in trostloser Einigkeit vorwurfsvoll an. Er versuchte ein freundliches Lächeln und wandte sich ab.
Frogier kehrte zurück und passte den Schulterriemen eines neuen Köchers an.
»Einer unserer Leute hat einen von der Bürgermiliz in einem Streit über Gott weiß was verwundet. Alle hassen die Polizei, wer weiß, warum. Er wird überleben, es sei denn, die Wunde beginnt zu schwären. Aber bis sie von höherer Stelle den Befehl bekommen, behalten sie die Brücke unter ihrer Kontrolle. Kurz gesagt: Ich kann Euch nicht rüberbringen.«
»Folgt mir.«
Tannhäuser führte Clementine auf die Brücke, ehe der Sergent Einwände vorbringen konnte. Die Milizmänner richteten sich auf. Es waren acht, manche deutlich von der Arbeit des Tages gezeichnet. Sonst besaßen sie kaum Macht über ihr eigenes Leben, schon gar keine über andere. Nun gehörte die Stadt einen Tag lang ihnen, und sie wollten das in vollen Zügen genießen. Alle acht trugen rote und weiße Bänder am Arm.
Ihr Anführer saß mit baumelnden Beinen auf einem großen Fass, vielleicht, um zwei Handbreit zu seiner Körpergröße hinzuzufügen, denn selbst für Pariser Verhältnisse war er ungewöhnlich klein. Er trug einen mit einer Gänsefeder geschmückten Helm und hielt eine Viehpeitsche über dem Schoß. Dieser Mann genoss seinen Hass. Das Fass stand mitten hinter der Kette. Um die Milizmänner tobte krakeelend eine Meute von Gassenkindern. Sie schauten neugierig, als Tannhäuser sich näherte.
Tannhäuser blieb auf halbem Weg über die Brücke stehen. Er nahm sein Gewehr vom Karren, überprüfte demonstrativ die Zündpfanneund klappte den Hahn darauf. Die Milizsoldaten traten unruhig von einem Fuß auf den anderen.
»Bleibt hier. Wenn ich schieße, bringt die Kinder ins Torhaus.«
Tannhäuser legte sich das Gewehr in die Armbeuge und ging zu dem Mann auf dem Fass.
»Mattias Tannhäuser, Militärberater und diplomatischer Gesandter bei Seiner Hoheit Henri Duc d’Anjou. Die korrekte Anrede ist ›Exzellenz‹. Wer seid Ihr?«
Der Mann rutschte unruhig hin und her, wollte sich die Peinlichkeit ersparen, vom Fass herunterzuklettern, spürte aber, dass das wohl geboten wäre. Er verneigte sich im Sitzen.
»Fähnrich Jean Bonnett, Exzellenz, für Gott und den König.«
Einige der Rüpel ringsum wiederholten den letzten Satz. Tannhäuser starrte sie herrisch an.
»Seine Majestät hat der Bürgermiliz nicht befohlen, sich dem Châtelet zu widersetzen. Und Majestät hat auch dieses Gemetzel nicht befohlen.«
»Dieses Gerücht verbreiten die protestantischen Spione«, erwiderte Bonnett.
»Passt auf, was Ihr sagt, Mann. Und ›Exzellenz‹ reicht.«
»Ich meinte nur, dass Eure Exzellenz sich vielleicht haben täuschen lassen von …«
»Ich möchte mit Bernard Garnier sprechen.«
»Er ist nicht hier, Exzellenz. In seiner
Weitere Kostenlose Bücher