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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Tempel? Dort würdet Ihr doch sicher willkommen sein. Es sei denn, die haben den auch belagert.«
    »Wie gut, einen Ehrenmann zu treffen. Danke.«
    »Habt Ihr bei der Großen Belagerung gekämpft?«
    »Ja.«
    »Ich bin beeindruckt, Sire. War es so schrecklich, wie man hört?«
    »Schlimmer. Doch nicht so schlimm wie das hier.«
    »Ich glaube, ich verstehe. Ich habe in Jarnac unter Tavannes gegen die Hugenotten gekämpft, aber das war ein Krieg. Unsere Pflichten waren klar umrissen, und die Pflicht macht den Tod ehrlich.«
    »Der Tod ist immer ehrlich. Er ist das einzige Versprechen, auf das wir bauen können.«
    »Gewiss können wir doch auf Christus’ Heilsversprechen bauen?«
    Tannhäuser bekreuzigte sich. »Wir wollen es hoffen. Dominus vobiscum . Pascale«, sagte er, »kennst du die Place Maubert?«
    »Natürlich.«
    »Clementine und ich erwarten deine Anweisungen.«
    Sie bogen nach Osten in ein Quartier mit vielen Collèges und Abteien ein.
    Während der Fahrt versuchte Juste, der sich zu ihrem Beschützer erklärt hatte, die Mädchen mit einer Auswahl aufregender Geschichten zu unterhalten, musste aber feststellen, dass er Pascales Mundwerk nicht gewachsen war. Gezänk brach unter der Plane aus, doch das schien eine gute Ablenkung zu sein, und Tannhäuser mischte sich nicht ein.
    Er erwachte allmählich aus seiner Schockstarre. Er wollte den widerlichen alten Portier in die Hände bekommen, aber nicht, solange er diese Fracht transportierte. Er dachte über den Vorschlag des Offiziers nach, die Kinder in eine Abtei im Quartier Latin zu bringen. Doch wenn er es schon wieder mit der Miliz zu tun bekommen musste, zog er eine Konfrontation auf den Brücken vor. Dann konnte er die Kinder irgendwo in der Ville verbergen, näher bei Orlandu, wo sich wohl auch die Lösung der Rätsel finden würde.
    Sie kamen an Sainte-Geneviève vorbei, wo wirklich bewaffnete Schurken die Tore bewachten. Er hätte sie leicht zur Seite stoßen können, doch das hätte anderen nur den Aufenthaltsort der Kinder verraten. Und wenn ein Gemetzel die Schwelle des Klosters besudelte, würden die Mönche die Kinder vielleicht nicht gerade willkommen heißen. Sie fuhren einen steilen Hang hinunter.
    In diesem Quartier waren die Spuren des Blutbades weniger offensichtlich. Als sie an verschiedenen Collèges der Sorbonne vorüberkamen, waren die Straßen voller rauflustiger Studenten, die Wein soffen und Huren begrapschten. Diese Festlichkeiten wurden in keiner Weise durch den Gestank verbrannten Fleisches beeinträchtigt. Als Tannhäuser die Place Maubert erreichte, wurde der Geruch intensiver. Es herrschte allgemeine Feierstimmung, und hier fand sich die gleiche Schar von Straßenhändlern, Köchen und Gauklern, die vorhin noch auf dem Vorplatz der Kathedrale um Kupfermünzen gerauft hatten. Stinkender Nebel hing in der stickigen Luft. Mitten auf dem Platz stand ein fester Galgen, und die fettigen Seile knarrten unter dem Gewicht von sechs frischen Leichen. Gleich daneben ragte ein Eisenpfahl aus einem Kohlenbett. Hier hingen an Ketten die verkohlten Überreste zweier Hingerichteter.
    Am Nordende des Platzes erblickte Tannhäuser den Grund, warum er hergekommen war.
    »Sagt mir«, fragte er seine verborgenen Passagiere, »wenn eine Ente quakt und ein Hund bellt, was für ein Geräusch macht dann ein Kaninchen?«
    Verschiedene Lösungen wurden diskutiert, aber keine schien angemessen.
    »Genau, gar keines«, sagte Tannhäuser. »Ich will jetzt, dass ihr euch wie ein Käfig voller Kaninchen verhaltet.«
    Im Schatten ihres hölzernen Wachhäuschens lungerten fünf Sergents à verge um einen Tisch und stocherten in den Resten ihres Abendessens. Sie hatten nun einen großen Steingutkrug mit Rotwein in Angriff genommen, und Alois Frogier schien mehr als seinen Anteil dieser Arbeit übernommen zu haben, denn er döste vor sich hin, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, das Kinn auf der Brust.
    Tannhäuser hielt den Karren außer Hörweite an. Ein schielender Sergent sah ihn, stieß Frogier mit dem Ellbogen an und murmelte eine Warnung. Tannhäuser stieg vom Wagen und wartete auf Frogier. Frogier rieb an einem Fleck auf seinem Gewand und rang sich ein überfreundliches Lächeln ab.
    »Frogier, wie schön, Euch ausgeruht, satt und zufrieden zu sehen.«
    Frogier verneigte sich. »So kann ich meinen Pflichten besser nachkommen, Eure Exzellenz. Und Ihr wisst, die sind zahlreich und schwer.«
    »Ich könnte selbst eine Ruhepause gebrauchen, aber ich komme,

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