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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Satteltaschen.«
    »Ihr wollt mich bei diesen Mädchen zurücklassen?« Juste war sich nicht sicher, ob er diese Aussicht willkommen heißen sollte oder nicht. Er warf Flore einen verstohlenen Blick zu.
    »Sie brauchen einen mutigen Herrn, der sie beschützt«, sagte Tannhäuser.
    Pascales Lachen war recht unfreundlich.
    »Hast du deine Frau gefunden?«, fragte Flore.
    Tannhäuser war verwundert. »Carla?«
    »Du hast uns gesagt, dass du den weiten Weg auf dich genommen hast, um sie zu finden, und wir haben noch nicht gefragt, ob es dir gelungen ist. Du musst uns für sehr selbstsüchtig und gedankenlos halten.«
    »Wir hatten viele andere Dinge im Kopf.«
    »Nun, hast du sie gefunden?«, fragte Pascale.
    Tannhäuser hätte Mitleidsbezeugungen nicht ertragen, und die Mädchen brauchten nicht noch mehr schlimme Nachrichten. Er schaute zu Juste, der schwieg.
    »Ja«, sagte Tannhäuser. »Carla ist am anderen Flussufer in der Ville.«
    Er machte sich daran, seine Waffen im Karren zu verstauen.
    Die Kinder standen da und schauten ihm störrisch schweigend zu.
    »Tut, was ich euch gesagt habe«, sagte Tannhäuser. »Wir brechen auf.«



KAPITEL 17

S CHÄNDLICHER ALS M ORD
    Tannhäusers Plan hielt bis zur Porte Saint-Jacques, wo sich eine Menge von etwa dreißig Flüchtlingen vor dem Torhaus drängte. Der Eingang war mit einem Fallgitter versperrt. Dahinter lungerten Soldaten herum, die im Dämmerschein nur verschwommen auszumachen waren. Die Dunkelheit dahinter ließ vermuten, dass die Flügel des großen Tors verschlossen waren. Die verängstigten Flüchtlinge murmelten leise, während ihre Kinder in der Mittagshitze unruhig geworden waren und laut weinten.
    Sie erinnerten Tannhäuser an Ameisen, die aus einem aufgestörten Haufen flohen. Ihr Anblick erfüllte ihn mit Ekel. Dann begriff er, dass es daran lag, dass er einer von ihnen war.
    Er stand ganz vorne auf dem Karren und hielt die Zügel. Er hatte die Plane über die Kinder gebreitet, aber sie waren nicht völlig versteckt, weil sie aus nächster Nähe die Bewegung ihrer Köpfe verriet.
    Ein Ausfalltor ging auf, und ein Gardeoffizier erschien. Seine Uniform war Tannhäuser nicht bekannt; die Verteidigung der Stadtmauer war Aufgabe des Gouverneurs Montmorency. Ein Soldat brachte einen Aufsitzbock, und der Offizier stieg darauf und hob einen Arm, um Aufmerksamkeit zu erbitten. Das Murmeln verstummte. Der Offizier brachte seine Botschaft mit der Miene eines Mannes hervor, der diese Pflicht bereits einige Male erfüllt hatte.
    »Gegen die drohende Gefahr durch die Armee der Hugenotten wurde die Porte Saint-Jacques geschlossen und verriegelt. AlleStadttore von Paris nach Norden und Süden sind geschlossen und verriegelt. Die Schlüssel zu diesen Toren befinden sich in der Obhut des Hôtel de Ville. Kurz gesagt: Das Tor ist verschlossen, und niemand hier hat die Möglichkeit, es zu öffnen. Ich selbst kann die Stadt nicht verlassen. Meine Männer können die Stadt nicht verlassen. Ihr könnt die Stadt nicht verlassen, und auch sonst niemand, ganz gleich von welchem Rang oder welcher Würde. Die Stadt ist völlig abgeriegelt.«
    Ein verzweifeltes Stöhnen drang aus der Menge.
    »Wenn ihr euch wegen der Schlüssel an das Bureau de Ville wenden wollt, steht euch das frei, aber ich denke, ihr habt wenig Aussicht auf Erfolg. Doch jetzt müsst ihr vom Tor zurücktreten, denn der Platz muss aus militärischen Gründen frei bleiben. Wenn ihr nicht sofort geht, muss ich meine Männer anweisen, euch gewaltsam zu entfernen. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. Gott segne den König.«
    Tannhäuser begann Clementine zu wenden.
    »Das heißt, wir fahren doch nicht nach Saint-Germain«, erklärte Juste.
    »Wir sind weder taub noch blöd«, sagte Pascale.
    Der Offizier bahnte sich einen Weg durch die Menge und ignorierte alle Fragen. Er salutierte vor Tannhäuser.
    »Es tut mir leid, einen Ritter von Malta zu enttäuschen, Sire. Ich würde Euch nur zu gern durchlassen, aber im Augenblick ist Paris ein Gefängnis.«
    »Ich möchte diese Waisenkinder an einen sicheren Ort bringen.«
    »Die Abtei von Sainte-Geneviève hat heute Morgen einige Leute aufgenommen – Ihr könnt den Turm von Clovis gleich dort sehen –, aber ich habe gehört, dass inzwischen die Miliz auch dieses Gebäude belagert, diese Schweine. Ich weiß nicht, wie sehr man sich auf die Kirchen als Zufluchtsstätten verlassen kann oder ob das von allen respektiert wird. Warum bringt Ihr die Kinder nicht in den

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