Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Sergent an, der hier Wache hält. Ich schicke Euch einen. Ich muss Euch sicher nicht erklären, dass niemand das umsonst macht.«
Grymonde stieß Pater Robert die Börse hin.
»Christus wird Euch vergeben, dass Ihr mit der Münze des Satans zahlt«, sagte Grymonde, »selbst wenn Euer eigener Stolz es nicht tut. Außerdem habt ihr viele Mäuler zu stopfen, und das tut auch niemand umsonst.«
Pater Robert nahm die Börse. Ihr Gewicht überraschte ihn. Grymonde wandte sich zum Gehen.
»Ich lese eine Messe für Eure Mutter.«
»Meine Mutter braucht Euer Gefasel nicht.«
»Dann bete ich für Eure schwarze Seele …«
»Heuert einfach den Sergent an.«
Sonntags waren Les Halles wie ein Herz, das zu schlagen aufgehört hat. Die Woche über pumpte es jedoch das Lebensblut in die Stadt: die vielen Tonnen Lebensmittel, die Paris zwischen einer Morgenröte und der nächsten verschlang. Jede Nacht wurden Tausende von Tieren, Fleisch für jeden Geschmack und Geldbeutel, über die Rue Saint-Denis zu den stinkenden Schlachthöfen getrieben oder gleich auf offener Straße geschlachtet. Mit ihnen kamen Hunderte von Karren voller Fisch, Geflügel und Wild, Obst und Gemüse, Käse und Wein und vor allem mit Korn, denn die Pariser liebten Brot mehr als Gott.
Mit einem guten Blick dafür, wie man ein Vermögen verdienen kann, hatte König François in Grymondes Geburtsjahr 1543 angeordnet, dass der gesamte Bezirk erneuert werde. Man baute noch heute und war längst nicht fertig.
Grymonde hatte im Zauberland des Abreißens und Aufbauens laufen, sprechen, stehlen und verkaufen gelernt. Er hatte zugesehen, wie Gebäude, die er liebte, zerstört wurden, und wie Gebäude,die er liebte, an ihrer Stelle entstanden. Er hatte Mörtel gemischt, Fundamente gegraben und Ziegelsteine und Balken und Blei geschleppt; alles für Pfennige. Hätten sie alles abgerissen und ganz neu angefangen, so hätte Grymonde ihnen besser als mancher andere sagen können, wie sie es anstellen sollten. Aber er kam von den Höfen, und er war ein Bastard und seine Mutter das Liebchen eines Schurken, also taugte er nur zum Graben und Schleppen.
Trotzdem liebte er das alles.
Das Gebiet von Les Halles wurde auf der Nordseite von der Truanderie, im Osten von Saint-Denis bis zum Châtelet, im Westen von den Käsehändlern und im Süden von den alten Salinen am Fluss begrenzt. Es war riesig und unglaublich verzweigt. Die neuen Märkte waren überdachte Galerien, in denen es jedes erdenkliche Lebensmittel zu kaufen gab, aber auch Leder, Pelze und Stoffe, Besteck, Schuhe und exotische Vögel. Über den Galerien befanden sich Wohnungen, dazwischen Kirchen, Wohnhäuser und Stadthäuser, der öffentliche Brunnen, der achteckige Turm des Prangers und die Überreste des alten Marktes und seiner Werkstätten.
Sonntags verlor sich das Lärmen der Menge, der Menschen und Tiere und wich der relativen Ruhe der Wachmänner, der Spaziergänger, der jungen Liebenden und der diebischen Kinder. Heute waren nur die Wachleute übrig, verstärkt durch eine ungewöhnlich große Abordnung der Sergents à verge vom Châtelet. Mochten auch unzählige Hugenotten und einige unglückselige Katholiken in ihren Häusern umkommen, die Märkte sollte jedenfalls nichts gefährden.
Grymonde nickte im Vorübergehen verschiedenen Wachen zu. Sie wussten, dass er ihnen rechtzeitig ihre Schmiergelder zahlte; sie wussten, dass seine Interessen woanders lagen; einige ihrer Arbeitgeber verkauften sogar seine Waren, zuweilen mehrmals, wenn sie bereit waren, ihm zu verraten, wer sie erworben hatte. Sie waren alle Komplizen im unendlichen Netz des Verbrechens, das Paris umspannte.
Grymonde erspähte Sergent Rody vor dem Laden eines Messerschmiedes.
»Wird wohl Regen geben«, sagte Rody und deutete mit dem Kopf nach Osten.
»Auf dich wartet ein trockener Hafen. Pater Robert braucht in Saint-Leu einen Wachmann. Er zahlt, was immer du bekommst, um hier Wache zu stehen. Wenn du nicht schlau genug bist, beide Saläre einzustreichen, solltest du den Beruf besser an den Nagel hängen.«
»Ich habe gehört, dass er auch Ketzern Unterschlupf gewährt.«
»Dir ist doch einerlei, ob die leben oder sterben. Also warum nicht?«
»Ich habe Anweisungen, mich nicht darum zu scheren, aber seit wann bist du unter die Samariter gegangen?«
»Wenn du die Arbeit nicht willst, sehe ich von hier aus schon drei andere, die sie annehmen.«
»Oh, ich nehme sie«, sagte Rody rasch. »Die Miliz wird die Kirche nicht schänden.
Weitere Kostenlose Bücher