Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Leute mit einem Gebräu aus wunderbaren Wunschvorstellungen aufgestachelt, die seiner Eitelkeit schmeichelten und ihre Seelen zur ewigen Verdammnis verurteilten. Er hätte ihnen befehlen können, umzukehren und nach Hause zu gehen. Er hätte ein neues Lügengespinst erfinden können, um diese Anweisung zu begründen. Doch ein solcher Befehl wäre der Anfang vom Ende seiner Herrschaft gewesen.
Er liebte Carla, und für ihre Sache hätte er ohne jeden Skrupel alles geopfert, was er hatte. Aber hier war nichts, das ihrer Sache hättedienen können. Carla hätte keinen Zweifel gehabt, was die anständige Lösung wäre.
Wut würde das Bleigewicht auf seiner Seele leichter machen. Das wusste er. Übeltaten würden den Schmerz übertönen, besser als jede Arznei.
Der König wandte sich an seine Armee. Manche hatten schon selbst eine Entscheidung getroffen und huschten davon. Er hielt sie nicht auf. Er schaute zu Bigot. Der hatte unwillkürlich einen Schritt zurück gemacht und starrte auf Grymondes Brust.
»Wähle eine Rotte aus, die in dem Haus da drüben plündert«, wies ihn Grymonde an. »Eine weitere, die der Miliz folgt und sich um das kümmert, was die hinterlässt. Sag ihnen, sie sollen schlau vorgehen. Wir ziehen weiter.«
Bigot nickte. Grymonde schaute auf seinen Haufen. Der Zauber war verflogen. Er war nicht der König der Löwen, sondern der Krähen. Sie mussten Blut vergießen. Das Gewicht lastete schwer auf ihm. Sein Herz pochte gegen die Rippen. Er winkte seine Leute weiter.
Sie bekamen ihr Blut. Schon bald waren die Straßen überschwemmt damit. Es füllte die eisenharten Wagenspuren im Schlamm. Es rann über die Türschwellen. Die Mittagssonne buk es zu großen glänzenden Placken, die unter ihren Schritten knirschten. Morden für Könige, Morden als Pflicht, Morden für Gold, Morden aus Vergnügen, Morden um des Glaubens willen, es war alles das Gleiche. Und es wurde viel gemordet. Grymonde war nie Soldat gewesen; er starb lieber für seine eigenen Verbrechen als für die eines anderen. Und doch tat er jetzt die Arbeit eines Soldaten, indem er die Feinde seiner Feinde für Geld umbrachte, das er niemals ausgeben würde. Indem er Jungen zu Mördern und Schlimmerem machte. Wie wilde Hunde, die in einem Schafpferch wüten und töten, ohne zu fressen, vergaßen sie, dass sie gekommen waren, um einen Raubzug zu machen, und die Karren blieben halb leer. Weiter und immer weiter ging es in der drückenden Hitze, von Haus zu Haus, von Straße zu Straße, von Familie zu Familie, und die Bettler bemühten sich, in ihren Gräueltaten mit der Miliz zu wetteifern, die sie so verachteten. Schweiß rann Grymonde aus allen Poren, und er verlor den Verstand. Für ihn hatte all das keinen Sinn.Und doch blieb er. Er trieb die anderen an. Und er war nicht der Einzige. Hier wanderten zwei Priester durch das Gemetzel und besprengten die Schlächter mit Weihwasser aus vergoldeten Eimern. Dort saßen einige bewaffnete Edelmänner auf ihren Pferden und schauten zu, als wäre es ein Turnier, bis sie gelangweilt auf die Suche nach anderen Vergnügungen gingen. Ein kostbar uniformierter Herold kam herangeritten, stieß in seine Trompete und verkündete im Namen des Königs, sie sollten alle sofort aufhören. Er wurde mit Steinen und Kot beworfen und vertrieben, denn hier war der Tod Gott und König zugleich, und sie waren alle seine treuen Untertanen, Lebende und Tote zugleich.
Grymondes Armee verzog sich.
Er verlor die Karren aus den Augen, aber es war ihm gleichgültig.
Das Gewicht in seinem Magen wog immer schwerer. Die Bilder verschwammen ihm vor den Augen, vervielfältigten sich. Er schlug die Hand vor die Augen. Er musste die Niedrigkeit nicht mehr ansehen. Er taumelte durch einen offenen Toreingang, um diesem schrecklichen Karneval zu entkommen, aber auch in diesem jämmerlichen Haus war keine Zuflucht zu finden.
Blutige Leichname lagen im Flur. Aus dem Wohnzimmer hörte man raues Stöhnen und jämmerliches Wimmern. Er überlegte, dass er sich eine andere Zuflucht suchen müsste. Doch dann zog er die Pistole aus dem Hemd und spannte beide Hähne.
Er stürzte sich in das Zimmer.
Papin hielt eine junge Frau mit dem Gesicht nach unten auf einem Tisch fest, während Bigot ihr Hinterteil mit seinen fleischigen, blutigen Händen umfasste und sie vergewaltigte. Sein Gesicht war von der Sonne und der Anstrengung seiner Tat hochrot, denn dieses Opfer war kaum sein erstes. Beide Männer schauten ihn verwundert an.
»Lasst
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