Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Die haben zu viel anderes zu tun.«
»Das Châtelet hält sich also heraus?«
»Wenn das alles vorbei ist, gehen die Milizmänner nach Hause. Wir können das nicht. Wir müssen nächste Woche wieder raus und Strafen kassieren. Da können wir doch nicht als Mörderbande auftreten.«
»Männer mit Prinzipien also.«
Rody lachte. »Wir haben die Miliz vom Markt ferngehalten, sonst hätten sie auch den mit Leichen übersät. Wir haben alle hugenottischen Mieter selbst rausgetrieben, still und leise, und sie Garnier und Crucé übergeben. Befehl von Le Tellier. Wie die Lämmer sind sie gegangen. Haben geglaubt, sie kämen ins Gefängnis, in die Conciergerie. Na ja, da sind sie auch hingekommen, aber da wurden sie im Keller abgeschlachtet. Und die drohen ausgerechnet uns mit der Hölle, was? Crucé hat erzählt, er hätte in Saint-Jacques einen Eid geschworen, dass er eigenhändig hundert zum Teufel schickt. Da haben wir ihm zu einem guten Anfang verholfen.«
Grymonde hatte am Morgen das Schwein für das Festgelage im Schlachthof von Garnier bestellt.
Rody zwinkerte. »Irgendjemandem nutzt es immer. Die Krone wird die leeren Häuser versteigern. Die Ware wird sich nicht so lange halten, wenn du Interesse hast.«
»Ich weiß ja, wo ich dich finden kann. Mir reicht es für heute mit dem Chaos.«
»Für uns hier war es ziemlich ruhig, seltsamerweise«, meinte Rody. »Die Stadt ist angespannt wie ein Trommelfell. Alle Tore sind verschlossen.«
»Alle?«
»Alle außer Saint-Denis. Das machen sie um Mitternacht auf. Können ja nicht Tausende von Rindern die Faubourgs leer fressen lassen. Außerdem können sie Hugenotten zwar schlachten, aber wir können sie nicht essen.«
»Sonst noch Gerüchte?«
»Der König will, dass die Ausschreitungen aufhören, wenn du das verbreiten möchtest.«
Rody grinste. Grymonde nicht.
»Eine Sache ist vielleicht ein paar Francs wert«, sagte Rody. »Eine seltsame Sache, wenn man den Aufruhr ringsum bedenkt. Jemand will einen bestimmten Mann finden.«
»Ich bin kein Schnüffler.«
»Aber du hast Augen im Kopf. Und das hat mit deinen Leuten nichts zu tun. Der Mann ist ein Ritter vom heiligen Johannes. Ein großer Mann mit einem weißen Kreuz auf der Brust, so mutig wie nur was. Gestern Abend hat er in einem Duell drei Hugenotten getötet, drei Polen.«
»Suchen sie ihn deswegen?«
»Warum sollte das ein Grund sein? Das Châtelet kann einen Ritter vom Johanniterorden nicht wie einen gewöhnlichen Dieb verhaften. Dazu bräuchten sie das Parlement, den König, vielleicht den Papst in Rom.«
»Vom Johanniterorden?«
»Die Ritter haben ihre eigenen Gesetze. Alle lassen sie in Ruhe. Jedenfalls hat man uns nicht gesagt, dass er wegen eines Verbrechens gesucht wird, nur, dass sie wissen wollen, wo er sich aufhält.«
»Wer sucht ihn?«
»Ich weiß es nicht, und der Mann, der es mir gesagt hat, und der, der es ihm gesagt hat, und so weiter, die wissen es auch nicht. Er wird wegen irgendeiner wichtigen, dringenden Sache gesucht. Wer weiß, vielleicht hat er einen großen Schwanz, und der Duc d’Anjou hegt Reuegefühle.«
»Ich halte die Augen auf. Wie heißt er?«
»Mattias Tannhäuser.«
Grymonde schürzte die Lippen, als bedeutete ihm der Name nichts. Das war ein Vorteil seines Gesichts: Jede Grimasse, die er schnitt, war so extrem, dass sie seine Gedanken verbarg. Der Name bedeutete ihm nicht viel, aber mehr als nichts. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er ihm noch sehr viel mehr bedeuten würde.
»Irgendwelche Merkmale?«, fragte er.
Rody blinzelte zum Himmel, um nachzudenken, und Grymonde war erleichtert. Rody schwamm stets in einem Meer von Lügen, aber wenn er ihn hätte hereinlegen wollen, hätte er sich ein wenig mehr Mühe gegeben. Also wusste Rody nichts von der Beziehung zwischen Tannhäuser und der Frau, die er am Morgen in Grymondes Karren gesehen hatte. Rody schüttelte den Kopf.
»Nein.«
»Ich bin weg. Du kannst deiner Frau sagen, dass Pater Robert in Gold zahlt.«
»Warum sollte ich ihr das sagen?«
Grymonde blieb an der Fontaine des Innocents stehen und wusch sich unter dem Wasserstrahl die Stiefel sauber. Vielleicht war da keine Verbindung, aber Mattias war ja kaum ein häufiger Name. Außer bei den Sachsen, vermutete Grymonde. Das Bleigewicht lag ihm noch schwer im Magen. Er liebte die Frau, also fiel ihm die Entscheidung leicht. Er konnte sich von dem Gefühl leiten lassen oder nicht. Er dachte daran, ein neues Hemd anzuziehen, ehe er wieder ins
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