Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
müsst um Mitternacht allein bei den Galgen auf der Place de Grève warten .«
    La Fosse tauchte die Feder ein und schrieb.
    Tannhäuser fuhr fort. » Beim geringsten Anzeichen von Verrat ist Euch der Tod gewiss .«
    » Darauf habt Ihr sein Wort .«
    La Fosse schrieb dies, ohne auf Zustimmung zu warten.
    » Wenn Ihr diese Verabredung nicht einhaltet «, diktierte Tannhäuser, » findet Euch der Ritter und tötet Euch langsam und qualvoll. Ich bitte Euch dringend, um Eures Überlebens willen, Eure gegenwärtigen Treueschwüre zu überdenken .«
    »Großartig. Sollen wir hinzufügen: … wie wir das alle von Zeit zu Zeit tun müssen ?«
    »Das klingt glaubhaft. Es gefällt mir. Ich schlage einen Abschluss in ähnlichem Stil vor.«
    La Fosse strich sich mit der Feder über das Kinn.
    » Ich bete, dass Ihr nach meinem von Herzen kommenden Rat handelt, damit unsere Freundschaft unter glücklicheren und ruhigeren Umständen erneut blühen kann .«
    Wider bessere Einsicht hatte Tannhäuser beinahe beschlossen gehabt, La Fosse leben zu lassen. Aber diese Wendung von der blühenden Freundschaft und der Gedanke, was das für die Jungen in dieser Stadt bedeuten würde, stimmte ihn um. Er nahm La Fosse die Brille von der Nase und las den Brief durch. Den hatte kein Mann geschrieben, der den Tod erwartete. Das Schreiben würde wie ein Skorpion in Petit Christians Tasche fallen. Und wenn Christian es dann in Le Telliers Tasche fallen ließ, war nichts verloren.
    »Unterschreibe und so weiter. Das übliche Siegel.«
    Grégoire rief aus der Küche und kündigte Bruder Anselm an.
    »Boniface soll es sehr dringend machen.«
    La Fosse stand auf, schwankte und fiel auf den Stuhl zurück.
    »Verzeiht. Meine Hände. Der Schmerz wird schlimmer.«
    »Ich habe Opium im Gürtel. Du kannst später welches haben. Jetzt steh auf. Ich höre zu, und mein Junge wird dich beobachten.«
    Der Brief wurde an Boniface abgeschickt.
    Tannhäuser schlug La Fosse krachend auf den Rücken.
    »Sag mir, Pater, hat diese alte Kirche eine Krypta oder Ähnliches?«
    »Einige der ersten Erleuchteten des Ordens sind dort zur Ruhe gebettet. Warum?«
    »Mein Gold wiegt schwer. Ich möchte es sicher aufbewahren, wenn ich dir trauen kann, es nicht zu stehlen.«
    La Fosse begann seine Ehrlichkeit zu beteuern. Tannhäuser lächelte.
    »Ein Scherz. Zeig mir die Krypta. Dann können wir uns auf den Weg zu unseren Zufluchtsstätten machen.«
    La Fosse führte Tannhäuser in die Krypta hinunter und half ihm die Abdeckung einer Grabstätte wegzuschieben. Tannhäuser stieß den Priester halb über den Rand und tötete ihn ohne viel Federlesen. Er stieß ihn ganz hinein, schob die Platte zurück, und es war vollbracht.
    Er holte die Partisane. Der Regen hatte aufgehört. Er stieß zu Grégoire, der mit der vernarbten grauen Stute im Dämmerlicht stand und den kahlen Hund mit Käsebrocken fütterte. Der Junge hatte sich die Tasche des Banditen auf den Rücken geladen und die Armbrüste mit der Garotte an den Steigbügeln zusammengebunden.
    Er erkundigte sich nicht nach La Fosse.
    Tannhäuser stieg auf Clementine.
    Sie gingen zu der Kreuzung, und er blieb stehen.
    »Die Höfe? Kennst du sie?«
    »Nein, Meister. Ich weiß nur, wo sie sind. Tut mir leid.«
    Die Luft war noch von dem Regenschauer feucht und schwer von der Hitze des Tages. Die lange Straße nach Westen bot einen seltenen Ausblick auf die äußersten Enden der Ville, wo der Himmelmit zinnoberroten und ockergelben Streifen leuchtete, als hätten ihn die Feuer dieses heruntergebrannten Sodom besudelt. Das Licht des Sonnenuntergangs schimmerte durch die hoch aufragenden Glasfenster in einem Kirchturm. Schreie verabschiedeten den Tag, wie sie ihn in der Morgendämmerung begrüßt hatten. Die Nacht würde Verbrecher, Fanatiker und dekadente Menschen mutiger machen. Das Chaos würde ihre schlimmsten Instinkte entfesseln.
    Irgendwo in diesem Strom schaute Carla dem Tod ins Angesicht. Er stellte sich ihren Blick und das dunkelgrüne Feuer ihrer Augen vor, das ihn immer noch bis ins Mark frieren ließ. Carla sah eine andere Welt als er; selbst dann, wenn die Welt so hässlich wie heute war. Sie sah Möglichkeiten, die es zu ergreifen galt; er sah Grenzen, die es einzureißen galt. Wenn jemand überleben konnte, wenn jemand die Gnade besaß, dann war sie es. Wenn nicht, dann würde er sie wieder betrauern. Er konnte das schaffen. Das war seine einzige Eigenschaft, die etwas wert war.
    Er schloss die Augen.
    Er konnte spüren,

Weitere Kostenlose Bücher