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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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wie das Herz seines Kindes schlug.
    Seine kleine Tochter.
    Auch sie hatte er heute verloren. Er hatte sie verfehlt.
    Sie war wieder da, in seinem Herzen. Sie waren beide wieder da.
    »Ich wusste, dass sie ein großes Herz hat«, sagte Grégoire.
    Tannhäuser schlug die Augen auf.
    Grégoire streichelte Clementines breite Brust. Er schaute zu Tannhäuser auf.
    »Sie hat Euch nicht im Stich gelassen.«
    »Sie ist nicht die Einzige, mein Junge.«
    Grégoires Scharfsinn ging nicht so weit, dass er seinen eigenen Wert erkannte.
    »Ihr hattet noch ein anderes Pferd?«, fragte er.
    »Nein. Clementine war den ganzen Tag lang unerschütterlich und treu. Wir sollten ihr jetzt Ruhe gönnen.«
    »Ich kenne alle Ställe und weiß, welche gut und welche schlecht sind.«
    »Du weißt auch, wo du für dich ein Bett finden kannst. Geh hin und schlaf.«
    »Wenn Ihr mich wegschickt, folge ich Euch. Und Ihr seht mich nicht.«
    »Ich habe viel zu tun und noch mehr zu wagen.«
    Grégoire spuckte einen Käsebrocken in den Dreck. Tannhäuser streckte die Hand zu ihm aus. »Gib mir das Bündel.«
    Er nahm die Armbrüste zusammen mit der Partisane in die Rechte.
    Dann streckte er die freie Hand wieder nach unten. »Komm hoch, setz dich hinter mich.«
    »Ihr wollt, dass ich mit Euch reite?«
    Grégoire schien diesen Gedanken unziemlich zu finden. Er versuchte es mit einer Erklärung.
    »Als Euer Knappe?«
    »Nein, als mein Freund.«
    Grégoire zwinkerte, als wäre dies von all den Ereignissen des Tages das Einzige, das ihn wirklich überraschte. Er schaute zur Seite, um das Beben seiner Lippe zu verbergen.
    »Ich hatte ein paar starke Freunde«, sagte Tannhäuser. »Aber keinen, den ich höher schätzte.«
    Grégoire wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und schaute ihn an.
    »Und ich habe keinen von ihnen mehr gebraucht, als ich dich jetzt brauche.«
    Grégoire ergriff seine Hand und schwang sich auf Clementines Rücken.
    »Kann Luzifer auch mitkommen?«
    »Warum nicht? Da wo wir hingehen, ist ein Höllenhund vielleicht ganz nützlich.«
    Tannhäuser beobachtete den Hund, der seinen Platz zwischen den riesigen Vorderhufen einnahm.
    »Wo gehen wir hin?«
    Tannhäuser lenkte das Pferd auf die blutroten letzten Zuckungen der verlöschenden Sonne zu.
    »Wir zahlen den Pfeifer und schaffen ihm an, was er spielen soll.«

TEIL IV

UNENDLICH FERN
JEDER HILFE



KAPITEL 22

D ER B ARDE
    Da man ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatte und sich überall Schnüffler herumtrieben, ließ sich Tannhäuser von Grégoire durch kleine Seitenstraßen führen. Bei der Ecke der Rue Trousse-Vache und der Rue Saint-Denis schickte er Grégoire mit Clementine in einen Stall, ging aber selbst nicht hinein.
    In einer nasskalten Gasse nahm er die mit Elfenbein und Silber verzierte Armbrust aus dem Bündel, spannte sie, legte aber keinen Bolzen ein. Als Grégoire mit der Ledertasche zurückkehrte, wählte Tannhäuser fünf Bolzen mit Zinnfiederung aus. Sie waren doppelt so schwer wie ein Pfeil und würden beim Aufprall den Opfern die Tränen in die Augen treiben. Er steckte sie hinten in den Gürtel und gab Grégoire das Bündel zurück.
    Das Gasthaus zum Blinden Pfeifer stand an der südwestlichen Ecke des Friedhofs. Sie gingen auf den Gestank zu. Vor verschiedenen Läden und Galerien warteten Sergents und Wachleute auf Plünderer. Grégoire führte ihn um diese Leute herum, geleitete ihn durch schmale Schluchten in der Stadt, in die auch bei Tag kaum je die Sonne vordrang und die nun in der Dämmerung beinahe finster waren. Ab und zu lauerte eine Gestalt im Dunkeln, aber Tannhäuser ließ sie seine Partisane sehen, ehe sie ihn bemerkten, und sie konnten sich alle gut vorstellen, darauf aufgespießt zu werden, und verzogen sich.
    »Das ist der Hinterhof vom Blinden Pfeifer.«
    Grégoire rannte zu einem zweiflügeligen Holztor in einer hohen Ziegelmauer.
    »Von innen mit einem Vorhängeschloss versperrt«, sagte er.
    Gut. Dann wäre jede Flucht schwierig.
    »Keine Hunde«, sagte Tannhäuser.
    »Paul mag Hunde nicht.«
    Tannhäuser machte eine Kopfbewegung, und sie umrundeten das Gebäude. Sie standen im Schatten der Friedhofsmauer. Das Gasthaus war zwanzig Fuß breit. Gelbes Licht hinter dicken Glasscheiben; eine schwere Tür. Die oberen Stockwerke waren dunkel.
    »Wo ist der Tresen?«, fragte Tannhäuser. »Wie viele bedienen dahinter?«
    »Der Tresen ist rechts. Gewöhnlich bedient ein Mann.«
    »Geht die Tür nach innen oder außen auf ?«
    »Nach

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