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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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ihr Schicksal hatten ihre Stimme geschwächt, doch all ihre innere Stärke flog ihr wieder zu. Carla gerann das Blut in den Adern. Die Stimme hallte von den Mauern des Hofes wider und fiel wie ein teuflischer Fluch auf das Gelage. Alice ließ den Topf fallen und lehnte sich mit beiden Händen auf das Fensterbrett. Der Kopf fiel ihr auf die Brust, und sie keuchte. Carla legte ihr die Hand auf den Rücken. Sie konnte das Röcheln in Alices Brust fühlen. Amparo zwinkerte und starrte zu Carla auf. Alice riss sich zusammen und richtete sich wieder auf. Inzwischen war auf dem Hof nur noch das Prasseln der Feuer zu hören.
    »Könnt ihr sie hören? Die, die uns hassen? Die uns immer gehasst haben?«
    Carla lauschte. Sie hörte in der Ferne den Schall schnell marschierender Füße.
    »Auf in den Kampf, meine Kinder! Das Jüngste Gericht ist gekommen. Auf in den Kampf ! Lasst sie den Tag bereuen, an dem sie es gewagt haben, einen Fuß nach Cockaigne zu setzen!«
    Alice sackte völlig erschöpft zusammen.
    Es kam Bewegung in die Menge.
    Stimmen erhoben sich: entsetzt, zweifelnd, wütend.
    Einige junge Leute rannten zu den Toren.
    Carla nahm Amparo auf den linken Arm. Sie stemmte ihre rechte Schulter unter Alices Achselhöhle und legte den freien Arm um sie. Sie half ihr zu einem Stuhl und setzte sie dort ab. Sie schenkte einen Becher Wein ein und gab ihn Alice in die Hand. Sie ging zum Fenster zurück.
    Ohne einen Anführer hatte sich die feiernde Menge in Gruppen unsicherer Menschen aufgeteilt. Es war beinahe völlig dunkel, die Schatten schienen durch das Glühen und Flackern der Feuer noch tiefer. Carla konnte Papin und Antoinette nicht sehen. Sie bemerkte Hugon, der einigen Jungen etwas zuschrie, und sie folgten ihm, als er zu einem der Tore rannte. Grymonde konnte sie nirgends ausmachen.
    Dann wurde plötzlich der ganze Hof von einer Salve Musketenfeuer erhellt.
    Wolken von Pulverdampf wallten über die Menge, und Menschen, Männer wie Frauen, stießen mit anderen zusammen und fielen in die Pfützen. Panik ergriff den Hof. Leute rannten in jede Eingangstür und Gasse. Die Musketiere nahmen ihre Position in zwei Reihen quer über die südliche und westliche Seite des Hofes ein. Es waren insgesamt acht, und sie begannen erneut zu laden. Jeder Musketier wurde von einem Milizmann mit einer Pike geschützt. Hinter diesen ersten Reihen folgte eine wild gewordene Horde von Fanatikern, die den Namen Saint-Jacques brüllten. Sie trugen rotweiße Armbinden und Helme aus Stahl. Mit Schwertern, Äxten und Speeren fielen sie über die Leute her, die sich in die Hauseingänge drängten. Ohne Unterschied hackten und stießen sie auf Erwachsene und Kinder gleichermaßen ein.
    Carla sah, dass auf den Dächern an der südlichen Seite des Hofes Gestalten auftauchten. Sie standen da und schauten zu, vom Gewehrfeuer und dem Blutbad kopfscheu gemacht.
    Amparo begann zu weinen, und Carla drückte sie fester an sich.
    Sie sah, dass Grymonde im schwarzen Eingang einer finsteren Gasse lauerte, sein riesiger Kopf und seine Schultern waren unverkennbar. Er schnitt einem Musketier und seinem Helfer von hinten die Kehle durch, ehe die beiden es auch nur ahnen konnten. Dannrannte er zur Feuerstelle und riss die Arme hoch, blutige Messer in beiden Händen.
    »Kämpft für eure Seelen! Für Cockaigne!«
    Ein Mann mit einer Pike stürzte sich auf ihn, und Grymonde rammte ihm beide Klingen in den Leib, riss ihn hoch und stieß ihn mit dem Gesicht zuerst in die Kohlen. Der Spieß und der Braten fielen um. Flammen schossen aus der Feuerstelle auf, als das Haar des Pikenmanns Feuer fing. Grymonde ließ ihn los. Dachziegel und Steine kamen unter höhnischen Schreien und Hassschwüren vom Dach geflogen. Der Pikenmann wankte fort, mit flammendem Haar und Brocken glühender Kohle im Gesicht. Grymonde nahm die gefallene Pike auf und schleuderte sie wie einen Speer auf eine Gruppe von Milizmännern. Sie stoben auseinander, einen hatte die Pike durchbohrt, und als sein Gewicht ihn zu Fall brachte, spießte die Klinge noch die Beine eines anderen Milizmanns auf. Der konnte sich befreien und kroch fort, bis eine Frau aus dem Schatten sprang und ihm einen Dolch in den Hals hieb.
    Grymonde schaute zu Carla hinauf. Er deutete mit dem Kinn auf die Haustür.
    Carla ging zu Alice und küsste Amparo, die immer noch weinte. Obwohl es ihr das Herz im Leib umdrehte, legte sie das Kind in Alices Arme und eilte aus dem Geburtszimmer.
    Ihr Bauch krampfte sich zusammen, aber sie

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