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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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widersetzte sich jedem Versuch, es glattzustreichen. Er war so respektabel, wie es sich machen ließ. Nein, es ging besser.
    Er ging zum Taufbecken und bekreuzigte sich, ehe er sich das Gesicht im Weihwasser schrubbte. Das Wasser änderte die Farbe, und er schloss daraus, dass er sich gut gewaschen hatte.
    Blut und Weihwasser.
    Carla würde wollen, dass Amparo getauft würde. Die Kirche war in Sachen Taufe unnachgiebig. Die Seele des Kindes konnte jeden Augenblick in die Vorhölle entführt werden, wäre dazu verdammt, in alle Ewigkeit niemals Gott zu schauen, und alles nur, weil es an einer Handvoll Wasser und ein paar Worten gefehlt hatten. Was für ein merkwürdiger Gott Er war. Aber wer war er, Tannhäuser, um da Einwände zu erheben?
    »Estelle, gib mir Amparo.«
    »Willst du sie mal halten?«
    »Ich will sie taufen.«
    Er zog das Kind samt seiner Wiege aus Ziegenhaut aus Estelles Hemd. Amparo schien beinahe nichts zu wiegen. Und doch hatte noch nie ein solches Gewicht auf seinem Herz gelegen. Er hob sie in beiden Händen in die Höhe und schaute ihr ins Gesicht.
    Hunderte von Kerzen brannten hinter ihr in der Kirche und füllten das ungeheure Gewölbe mit ockergelbem Rauch. Was für eine Schönheit sie war! Nur die reinste Liebe konnte so viel wiegen und ihn gleichzeitig mit solcher Ekstase erfüllen. Er hatte recht gehabt. Amparo hatte den Sturm besänftigt. Er hätte eine ganze Stunde lang hier so stehen können. Amparo war nicht so geduldig. Sie begann zu heulen.
    Tannhäuser lachte. Er nahm sie herunter und küsste sie auf die Nase, vielmehr ging er so nah an sie heran, wie es möglich war, ohne ihre zarte neue Haut mit seinen Bartstoppeln zu verletzen.
    »Ah, die kleine Amparo will nicht nass werden. Sie will ihre Brust.«
    Amparo ließ sich nicht trösten. Er hielt sie über das Taufbecken. Er schöpfte eine Handvoll von dem trüben Wasser und ließ es über ihren Kopf rinnen.
    » Ego te baptizo Amparo in nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen. «
    Tannhäuser drückte sich das weinende Kind mit einer Hand an die Brust. Er lächelte.
    »Wir haben sie vor der Hölle gerettet. Jetzt müssen wir sie vor Paris retten.«
    »Tannser? Taufst du mich auch?«
    Sein Lächeln wurde breiter. Er schaute zu Estelle hinunter, und sie strahlte.
    »Mit Vergnügen. Lehne dich über das Taufbecken.«
    Er schöpfte mit der Hand Wasser über Estelles verhedderte Locken. Das Haar war sauber. Das überraschte ihn.
    » Ego te baptizo Estelle in nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen .«
    »Bin ich jetzt vor der Hölle gerettet?«
    »Der Teufel wird enttäuscht sein, aber ja, du bist gerettet.«
    Amparo brüllte, bis sie rot im Gesicht war, aber er wollte sie nicht so schnell wieder abgeben. Er murmelte ihr etwas zu, als wollte er ein unruhiges Pferd besänftigen. Estelle packte seinen freien Unterarm mit beiden Händen, als wollte sie ihren Anspruch auf seine Aufmerksamkeit geltend machen.
    »Halt dich gut fest«, sagte er.
    Dann hob er sie vom Boden und schwang sie beim Gehen vor sich her. Estelle quietschte vor Vergnügen, landete wieder und klammerte sich noch fester an seinen Arm.
    »Nochmal!«
    Nachdem eines der Kinder so bestens unterhalten war, murmelte er Amparo weiter türkische Worte ins Ohr und ging im Kirchenschiff vor. Das winzige brüllende Gesicht fesselte ihn, aber er musste jetzt einen Teil seiner Gedanken auch praktischen Erwägungen widmen. Wenn Tybauts Bruchbude nicht auf der Insel war, dann befand sie sich wohl eher auf dem linken als auf dem rechten Ufer. Es war unwahrscheinlich, dass er eines dieser Ufer ohne Blutvergießen erreichen konnte. Es sei denn, er nahm den Priester mit. Für einen Priester würden sie die Kette herunterlassen. Und ein Priester, der sich mit Kupplern herumtrieb, würde sich von ihm sicher leicht überzeugen lassen.
    »Mattias?«
    Tannhäuser blieb stehen und ließ Estelle zu Boden. Er wagte es nicht, sich umzudrehen.
    Sein Verstand bezweifelte, dass er diese Stimme wirklich gehört hatte. Denn er sehnte sich so sehr danach, sie zu hören, dass er sie sich vielleicht nur eingebildet hatte. Doch seine Augen füllten sich bereits mit unmännlichen Tränen, und denen glaubte er.
    »Carla! Was machst du denn hier?« Estelle ließ seinen Arm los. »Wir haben dich überall gesucht, und jetzt haben wir dich gefunden.«
    Trotzdem regte sich Tannhäuser immer noch nicht. Er hatte um sie getrauert. Sie hatte sein Kind zur Welt gebracht. Verliese, Feuer und Schwerter

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