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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Inneren lauerte.
    Er zog sich zurück, und sein Gesichtsausdruck änderte sich.
    »Mein Plan ist, Paris noch heute Nacht zu verlassen, aber es wird gefährlich. Dies ist der sicherste Ort in der ganzen Stadt, besonders für dich. Ich habe einen Sack voll Gold, mit dem du monatelang Gast beim Kardinal sein könntest. Die kluge Lösung wäre, hier zu bleiben. Ich glaube, das solltest du machen.«
    Ihr drehte sich der Magen um. »Willst du damit sagen, dass du nicht bleiben kannst?«
    »Je länger ich in Paris bleibe, desto näher komme ich dem Galgen.«
    »Würde Garnier es wagen, in Notre-Dame einzudringen?«
    »Wenn er mich herausruft, und das wird er tun, kann ich mich nicht hinter den Soutanen der Priester verbergen.«
    »Das würde ich nie von dir verlangen.«
    »Wenn ich mich hier verstecke, würden sie schlicht auf mich warten. Es ist ihre Stadt, nicht meine. Wenn ich noch hier bin, wenn dieses Blutfest vorbei ist, werden sie mir die Verbrechen dieses Tages zur Last legen, die ich begangen habe, und es wird denjenigen, auf die es ankommt, immer schwerer fallen, sie zu ignorieren. Ich wäre der Erzfeind, der in der Kathedrale lauert. Aber wenn ich längst fort bin, dann sind es nur ein paar Dutzend Leichen unter Tausenden, und der Fall meiner Feinde ist nur eine Geschichte, die sie besser nicht erzählen, wenn sie klug sind, denn auch sie haben sich viel zuschulden kommen lassen.«
    »Wie kannst du dir nur vorstellen, ich würde dich ohne uns ziehen lassen?«
    Er musterte sie. Er war respektvoll oder klug genug, nicht zu debattieren.
    »Die Porte Saint-Denis wird um Mitternacht geöffnet. Wir haben noch Zeit, aber ich muss erst einen Wagen holen. Warte am Taufbecken auf mich. Übrigens habe ich sie auf den Namen Amparo getauft. Die Taufe ist gültig – Nottaufe, Tridentinum und so weiter. Ich wusste nicht, dass du hier bist, sonst hätte ich gewartet.«
    »Das hast du richtig gemacht. Was bedrückt dich sonst noch?«
    »Nichts, das dich auch bedrücken müsste.«
    Er fasste sie um die Taille, um sie zu stützen, und führte sie in den hinteren Teil der Kathedrale. Er bemerkte einen einzelnen Stuhl und nahm ihn im Vorübergehen mit. Carla lehnte sich an ihn und verlor sich im Anblick von Amparos Gesicht. Als sie den Schatten erreicht hatten, forderte er Carla auf, sich hinzusetzen. Sie knöpfte das Oberteil ihres Kleides auf und führte Amparos Mund an ihre Brust. Das Kind begann sofort zu trinken. Carla verspürte eine ekstatische Schläfrigkeit. Sie warf den Kopf zurück und schüttelte ihn, um sich wachzuhalten. Der ockergelbe Lichtschein unter dem Gewölbe beschwor Bilder eines ungeheuren Feuers herauf.
    »Sprenge aufs Feuer zu.«
    »Carla, geht es dir gut?«, fragte Mattias.
    »Ja. Es geht mir gut. Geh.«
    Carla sah, dass Estelle sie beobachtete.
    »Ich habe Amparo nicht ins Kloster gebracht.«
    »Ich danke dir, Estelle, von ganzem Herzen.«
    Estelle grinste. »Jetzt müssen wir nur noch Pascale finden.«
    Mattias wandte sich zu ihnen zurück. Carla konnte sehen, dass es das war, was ihm so auf dem Herzen lag.
    »Nein«, antwortete er, »nicht heute Nacht.«
    »Wann dann?«, fragte Estelle.
    »Wer ist Pascale?«, erkundigte sich Carla.
    »Sie ist eine von uns. Sie ist eine Schwester.«
    »Wir haben keine Zeit«, sagte Tannhäuser.
    »Aber ihr hattet Zeit, ehe ihr mich gefunden habt«, wandte Carla ein.
    »Das ist mein letztes Wort.«
    Sie sah, welch großen Schmerz ihm das bereitete. Mehr brauchte sie nicht zu wissen.
    »Mattias, geh Pascale suchen. Wir warten hier.«
    Mattias ging fort, auf das Portal und nicht auf den Altar zu.
    »Mattias.«
    Er blieb stehen. »Sie ist nur ein weiteres Kind. Davon gibt es wahrhaftig viele auf der Welt.«
    »Ich glaube dir nicht.«
    »Sie hat eine ebenso gute Überlebenschance mit uns wie ohne uns, vielleicht sogar eine bessere.«
    Er ging weiter und blieb erneut stehen, als ein unbeholfener Junge in die Kirche gerannt kam.
    Er redete sehr ernsthaft auf Mattias ein, aber Carla konnte die Worte nicht verstehen. Der Junge hatte eine Hasenscharte. Zu seinen Füßen trollte sich ein kleiner, grotesker Hund. Der Junge machte eine Pantomime, dass er sich etwas über den Kopf zog, einen Kragen oder eine Halskette.
    Mattias wandte sich um und lief an ihr vorüber, wohin, das konnte sie nicht sehen.
    Dann kam er noch eiliger wieder zurück und rannte mit dem Jungen durch das Portal.
    Carla gab sich ihrer Schläfrigkeit hin, ohne einzuschlafen. Während ihre Milch den Magen ihres

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