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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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habe kein Kind gesehen. Ich glaube, ich wusste, dass sie nicht Eure Frau war. Aber sie war so sehr verstümmelt.«
    »Du musst dir keine Vorwürfe machen. Es war mein Fehler. Und wenn das nicht gewesen wäre, hätten wir Flore und Pascale nicht mehr lebend vorgefunden.«
    Juste schaute zu Boden und nickte. Seine Wunden waren wieder aufgerissen.
    »Was immer diese Begegnung dich gekostet hat«, sagte Tannhäuser, »so denke ich doch, dass du den Handel immer wieder genauso abschließen würdest.«
    Juste wischte sich die Nase am Ärmel ab. »Ich würde alles dafür geben.«
    »Dann keine Trauer mehr, bis wir alles hinter uns haben.«
    Tannhäuser führte sie alle über den Steg.
    »Sagt mir, wie seid ihr an den Wachen am Eingang der Kathedrale vorübergekommen?«
    Carla brachte kaum mehr als ein zerstreutes Nicken zustande, um den Dank der Kinder entgegenzunehmen, die sie in den Schutz der Kathedrale gebracht hatte. Als Tannhäuser ihr vom Stuhl aufhalf, lehnte sie sich schwer auf seinen Arm. Das Stillen von Amparo schien sie vollends ausgelaugt zu haben, obwohl sie verträumt lächelte, als sie das Kind ansah.
    Diese Seligkeit beunruhigte ihn. Er hatte dergleichen schon bei Männern gesehen, die dem Tod nah waren. Wie viel Blut hatte sie verloren? Zweifel überkamen ihn. Der Wagen. Die Straßen. Stunden, wenn nicht Tage auf unbekannten Landstraßen. Hier konnte sie innerhalb von zehn Minuten in der Unterkunft des Priesters in einem Bett liegen, ein Wundarzt konnte gerufen werden, obwohl der sie wahrscheinlich nur weiter zur Ader lassen würde.
    »Sag mir, Liebste, blutest du?«
    Carla schüttelte den Kopf.
    »Es geht dir nicht gut genug für eine Reise. Wir bleiben alle hier.«
    »Nein. Wir müssen gehen, solange der Tod noch auf unserer Seite steht.«
    »Der Tod steht auf niemandes Seite, nur auf seiner eigenen.«
    »Wenn wir ihn fürchten, wendet er sich gegen uns, das weißt du besser als jeder andere. Und das Urteil wird gegen uns ergehen. Alice sagt, dass wir gehen müssen.«
    Wieder die Karten. Alice sagt es? Er fühlte ihre Stirn mit dem Handrücken. Sie war kühl, feucht, aber nicht fiebrig. Er hatte vor,das Leben seiner Frau und seines Kindes aufs Spiel zu setzen, um sein eigenes zu retten. Und doch wäre er auf der Stelle gestorben, um ihnen einen einzigen weiteren Atemzug zu verschaffen. Es war ein Rätsel. Carla schien es gelöst zu haben, er jedoch nicht.
    »Carla, wenn du hier bleibst, werdet ihr überleben, Amparo und du.«
    »Zum Überleben haben wir dich nicht gebraucht«, sagte Carla. »Unser Überleben war nicht der Grund dafür, dass du getan hast, was du getan hast. Du hast es getan, um mit mir zusammen zu sein. Mit uns. Ich habe Amparo auf den Dächern einem Straßenmädchen überlassen. Und nun sind wir hier. Und du bist da, bei uns. Du kannst uns nicht verlassen, weil wir dich nicht verlassen werden.«
    Tannhäuser schaute in unendlicher Verwirrung in den ungeheuren Raum der Kathedrale hinauf, in dieses Schiff, das einst Wissende für die gebaut hatten, die einfach nur waren.
    Er blickte zu Carla.
    Carla streichelte ihm die stoppelige Wange.
    Er küsste sie. Dann wandte er sich seiner zerlumpten kleinen Truppe zu.
    »Juste, bring die Mäuse zum Wagen. Lass eine Seitenklappe herunter und lege die Matratze hinein.« Tannhäuser sah Hugon, der Carlas Gambenkasten an sich drückte. »Hugon, führe den Infanten. Estelle, zeige Pascale meine Waffen. Bringt sie her. Die Laterne auch.«
    Grymonde schlurfte herbei und richtete sein augenloses Gesicht auf Tannhäuser.
    »Kannst du tun, was du versprochen hast, und uns zur Porte Saint-Denis führen?« Sein Lächeln war grausig. »Oder sollte ich lieber einen Priester suchen?«
    Grymondes Lachen hallte im Gewölbe wider, als er weiterschlurfte.
    »Carla, halte unsere Nachtigall ganz fest.«
    Tannhäuser umfasste Carlas Oberschenkel mit dem linken Arm und hob sie auf.
    »Also auf ins Feuer«, sagte sie.
    »Ein guter Ehemann weiß, wann er tun muss, was ihm gesagt wird.«
    Carla begann zu lachen und zuckte zusammen, als ein Krampf ihr Inneres packte.
    »Geht’s dir gut?«
    »Wenn du mich nicht zum Lachen bringst und weiter tust, was dir gesagt wird.«
    »Ich werde mir alle Mühe geben.«
    »Bring uns nach Hause.«
    Er trug sie auf das Eingangsportal zu.
    »Grégoire hat gesagt, dass Hugon dir hierhin gefolgt ist. Was ist mit deinem Begleiter geschehen?«
    »Fähnrich Bonnett? Ich weiß es nicht. Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Verwendung mehr für ihn

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