Die Blutnacht: Roman (German Edition)
uns«, blaffte Juste. »Das ist der Schweinekerl, der ihn angezündet hat.«
Diese Anschuldigung verstärkte Grymondes Heiterkeit erneut.
Tannhäuser nahm die Armbrust und kletterte neben Grégoire auf den Wagenbock. Er bemerkte, dass die große graue Stute gesattelt und ins Geschirr gespannt war. Der Junge war völlig unerschrocken. Aber wann war er je anders gewesen?
»Zur Porte Saint-Denis?«, fragte Grégoire.
Tannhäuser zögerte. Notre-Dame war vielleicht wirklich der sicherste Ort in Paris, aber die Kathedrale lag auch mitten in dem Labyrinth, aus dem sie entkommen wollten. Er hörte Kichern und schaute zu seinen zusammengequetschten Passagieren zurück. Es war ein Fehler, etwas in den Kampf mitzunehmen, das einen ablenkenkonnte. Diese Zehn mitzunehmen war heller Wahnsinn. Er sah, dass Carla ihn anschaute.
Sie schien seine Gedanken zu lesen. Sie nickte.
Tannhäuser wandte sich wieder zu Grégoire. »Dann wollen wir mal rausfinden, aus welchem Holz wir geschnitzt sind.«
KAPITEL 35
B LINDE ÜBERVORTEILEN
Er bat Grégoire, ihm auf dem Weg nach Westen einen Blick auf den Petit Pont zu erlauben. Er sah, dass das Kohlenfeuer und die Kette dort unbewacht waren. Die Miliz war wohl unterwegs.
Der Wagen rumpelte in das Labyrinth der Altstadt.
Bonnett würde davon ausgehen, dass Tannhäuser bei Carla in der Kathedrale blieb. Er würde Garnier von der Place de Grève über den Pont Notre-Dame dorthin bringen. Sie konnten einen Vorsprung vor der Miliz behalten, es sei denn, Bonnett hatte die Wachen, die jetzt an der Brücke fehlten, als Boten benutzt, um die Leute an anderen Brücken zu warnen oder um den Mördern mit ihren Messern am Ufer Befehle zu übermitteln.
Grégoire bog nach Norden zum Pont au Change ab.
Tannhäuser sah nur dieselben drei Wachleute wie vorhin. Er stützte die Armbrust auf die linke Hüfte. Wenn sie nicht lächelten und winkten, würde er sie umbringen. Als der Wagen vorüberrumpelte, winkten und lächelten der Ladenbesitzer und seine Kameraden. Tannhäuser sah, dass sie seine neuen Passagiere bemerkten. Er nahm ihnen das Lächeln nicht ab. Der Wagen fuhr am Palais vorüber. Dann ragten die Lagerhäuser auf.
»Grégoire, halt an! Ist genug Platz, um den Wagen zu wenden?«
Grégoire musterte die Kreuzung. Er nickte. Tannhäuser kletterte vom Bock.
»Dreh um und warte da hinten bei dem Lagerhaus, damit wir beide Routen nehmen könnten.«
Tannhäuser rannte auf den Fluss zu.
Er blieb bei der letzten Straßenbiegung stehen und schaute zur Müllerbrücke.
Der Totenwagen versperrte die Straße. Zu beiden Seiten des Wagens stapelten Männer zwischen einem Lagerhaus und dem Fluss Mehlsäcke auf. Jenseits der Barrikade war ziemlich viel kriegerisches Geschrei zu hören. Tannhäuser wagte sich zwei Schritte hinaus ins Mondlicht, um einen Blick auf den Uhrturm der Conciergerie zu werfen.
Es war fünf nach halb zwölf.
Es war immer noch Zeit, das Tor zu erreichen.
Tannhäuser ging im Schatten des Lagerhauses zurück zum Wagen.
Hier mit ihnen kämpfen. Eine unbekannte Zahl von Gegnern. Gewinnen.
Auf die andere Seite der überdachten Brücke fahren.
Aber da würde es keinen Kampf geben, nur eine Mauer, eine Höhle, in der sie festsitzen würden.
Der Ladenbesitzer tauchte in dem schmalen Streifen Mondlicht auf, den die Straßenkreuzung hereinließ. Er war sechs Fuß von der Spitze des Bolzens entfernt, als Tannhäuser ihm durch das Schambein schoss. Tannhäuser ließ die Armbrust fallen. Dann zog er sein Schwert, als eine zweite Gestalt in dem Mondstrahl auftauchte. Ein Bogenschütze, der mit eingelegtem Pfeil ins Dunkel schaute.
Tannhäuser stieß ihm das Schwert von links in den Bauch, führte die Waffe mit beiden Händen und schlitzte den Mann mit dem Herausziehen der Klinge auf. Der Lichtschein einer Laterne. Er trat von der Ecke zurück und duckte sich von der Hellebarde weg, die auf seinen Kopf zielte. Vier Männer lauerten an der Kreuzung. Fünf.
»Tannser! Pass auf !«
Der Axtkopf der Hellebarde war so schwer, dass es die Waffe fast bis zum Boden riss. Während der Handwerker sich gegen denSchaft stemmte, um die Waffe wieder unter Kontrolle zu bekommen, raste Tannhäuser auf ihn zu und schnitt ihm mit einem mächtigen Rückhandhieb die Kehle durch. Dann stürzte er sich ohne einen Blick auf sein zusammensackendes Opfer auf die anderen.
Die Laterne bewegte sich bereits von ihm fort, zurück zum Pont au Change. Der schwache Lichtschein beleuchtete die Gestalten der drei
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