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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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ein Vulkan auf dem Wasser, die Flammen loderten aus den angehäuften Kohlen auf. Auf der vordersten Schräge sah Carla eineGestalt, die um sich schlug, verkohlte Arme aus den rauchenden Lumpen der Ärmel schwenkte. Diese Grausamkeit widerte sie an. Mattias’ Grausamkeit. Aber sie hatte nicht widersprochen, als noch Zeit dazu war, und so war es auch ihre Grausamkeit.
    Carla wandte sich ab.
    Der Strand der Stadt unterhalb der Conciergerie war mit den Leichen der Massakrierten übersät. Ihre Mörder standen dazwischen, die Beine bis zu den Knien mit verkrustetem Blut besudelt. Und sie brüllten Flüche und schwenkten ihre Messer wie die Geister der reulosen Verdammten. Die Turmuhr darüber zeigte auf halb eins. Im Schatten des Gefängnisses sah Carla ein Getümmel von Hugenotten, zwanzig oder mehr, die man alle mit einem Seil zusammengebunden hatte, das ein Milizmann hielt. Als das Fischerboot vorüberfuhr, wogte und wirbelte die verzweifelte Menschenmenge, Arme wurden hilfesuchend ausgestreckt, und Schreie hallten zu ihr herüber.
    Carla wandte sich ab.
    »Carla, sieh nur.«
    Pascale deutete zum Strand. Eine junge Frau schlüpfte unter dem Tau hindurch, befreite sich und lief zum Ufer. Sie winkte mit einem Arm und deutete ein wenig flussabwärts. Im anderen Arm hielt sie ein kleines Kind. Ein Schrei, und zwei der bösen Geister rannten hinter ihr her. Carla drückte das Ruder nach Steuerbord, und das Fischerboot steuerte auf das Land zu.
    »Grymonde, tu dein Bestes.«
    Grymonde legte sich ins Zeug und jaulte, und das Fischerboot raste voran. Drei weitere Geister hatten sich der Verfolgung angeschlossen, als wäre das Ermorden einer unbekannten Frau und ihres Kindes der größte Preis auf Erden. Im seichteren Wasser trieben Leichen und versperrten ihnen den Weg. Carla hatte einen Fehler gemacht. Sie trug selbst einen solchen Preis an Bord, und sie hatte ihr Kind einer Gefahr ausgesetzt. Sie hatte nur noch Sekunden, um ihren Kurs zu ändern. Ihre Hand umklammerte die Ruderpinne, um das Boot wieder wegzulenken, und ihr Schoß krampfte sich als Reaktion darauf noch mehr zusammen.
    Wenn du es nicht versuchst, bist auch du verdammt .
    Carla hielt weiter aufs Land zu.
    »Grymonde, backbord das Ruder einziehen.«
    Der Bug pflügte durch die treibenden Leichen, und das Boot wurde langsamer.
    Die Frau kam ins seichte Wasser geplatscht. Der böse Geist, der sie verfolgte, stürzte sich mit einem Schwert auf sie und hieb es ihr in den Rücken. Sie taumelte und drehte sich und stieß die Klinge weg, und der Geist kam ins Stolpern und fiel auf ein Knie. Liebe und Verzweiflung gaben ihr die Kraft, weiter zu waten, den Mund keuchend aufgerissen. Sie sah Carla. Sie hielt ihr das Kind auf ausgestrecktem Arm entgegen. Carla zielte mit dem Bug an der sterbenden Frau vorbei.
    »Pascale, nimm das Kind.«
    Carla spürte, wie der Rumpf des Bootes über Sand schrammte. Pascale stieg auf ihre Ruderbank und rief nach der Frau. Die strauchelte, bis zum Oberschenkel im Wasser, zog das Kind zurück an die Brust, um das Gleichgewicht zu halten. Der Geist hatte sie eingeholt und hob sein Schwert. Ein Pfeil sauste zischend in seine Brust, und er fuhr herum und fiel hin.
    Jetzt war das Fischerboot nah genug, so dass Carla das Gesicht der Frau sehen konnte. Sie sah, wie sie versuchte, ihr Kind hinzuhalten, sah, wie etwas in ihr zerbrach. Sie sah, wie sich die Augen der Frau schlossen. Sie sah, wie die Bugwelle des Fischerbootes an ihre Brust schlug. Sie sah, wie die Frau rückwärts in den Fluss stürzte, einen Fuß von Pascales Händen entfernt, das Kind noch in den Armen geborgen.
    Pascale beugte sich weit über die Bordwand, die Beine unter den Rudersitz geklemmt, Kopf und Schulter unter Wasser. Beinahe hätte Carla eine Hand ausgestreckt, um sie zurückzuziehen. Da kam Pascale wieder hoch, die Fäuste über dem Kopf geballt, und sie schrie durch das Wasser, das ihr übers Gesicht rann, schrie all ihren Schmerz und all ihre Wut heraus, als hätte sich ihre Seele aus ihrer Verankerung gerissen, von allem losgerissen, was sie je über das Leben oder sich selbst geglaubt hatte.
    Carla konnte es sich nicht leisten, darauf einzugehen.
    Rechts von ihr zischte ein zweiter Pfeil vorüber. Ein dumpfer Aufprall und ein Fluch und ein Platschen.
    Die Geister wateten hinter ihr her.
    »Grymonde, zieh!« Carla drehte das Boot zum Feuerkahn.
    Pascale schaute an ihr vorüber, fletschte wütend die Zähne, sie sprang von ihrer Bank und trat dabei auf Juste und

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