Die Blutnacht: Roman (German Edition)
was sie mit ihm gemacht haben?«
»Gobbo ist tot, weil er nicht getan hat, was man ihm gesagt hat. Und wenn Joco nicht tut, was man ihm sagt, dann ist auch er bald tot. Das gilt für euch alle. Ist das hier vielleicht nur ein Spiel?«
Grymonde schaute um sich, hatte theatralisch seine riesigenHände ausgestreckt. Sein Publikum war fasziniert. Niemand wagte zu antworten. Auf dem Höhepunkt dieser Vorstellung ließ er den Blick auf Carla ruhen, und die begriff, dass die Frage an sie gerichtet war. Sie spürte seine seltsame Ausstrahlung. Unter anderen Umständen hätte sie das alles vielleicht abstoßend gefunden, aber heute brauchte sie ihn. Sie musste sich seinem Zauber ergeben, denn nichts liebten Männer mehr als den Glauben an ihren Zauber. Und so könnte sie ihn selbst besser verzaubern. Sie wagte ein Lächeln.
»Vielleicht«, sagte sie.
»Vielleicht, meint die Dame. Warum nicht? Welcher Mann – oder welche Frau – hier liebt nicht ein gutes Spiel? Keiner mehr als ich. Aber dann lasst euch alle warnen, es ist ein gefährliches Spiel, das beweisen unsere toten Freunde hier.«
»Welches richtige Spiel ist nicht gefährlich?«, fragte Carla.
Grymonde klatschte vor Entzücken in die Hände. Es klang wie ein Pistolenschuss.
»Lady Carla beschämt euch alle. Papin, gib Joco den Stuhl.«
Papin hatte sich gerade mit einem Stuhl durch die Hundemeute gekämpft. Bigot folgte ihm auf den Fersen mit einem Zinnbecher. Papin streckte Joco den Stuhl hin. Joco ignorierte ihn.
Ein noch qualmender Hund, der, auf den Altan Savas eingehackt hatte, kam mit einer klaffenden Wunde auf drei Beinen über die Schwelle gehumpelt. Er schmiegte sich an Jocos Wade, als hoffte er dort auf Trost. Joco trat den Hund gegen die Brust. Der brach winselnd zusammen. Die Jungen lachten.
Papin schaute zu Grymonde.
»Papin. Bigot, du auch.«
Grymonde winkte sie heran. Er griff den Stuhl mit einer riesigen Faust und setzte ihn mit einer kunstvollen Geste vor Carla hin. Mit einer Verbeugung bedeutete er ihr, sie solle sich setzen. Das tat sie. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. Mit der anderen strich sie sich über den Zopf und legte ihn sich quer über die Brust. Mit einer weiteren Verbeugung reichte ihr Grymonde den Becher mit Wein.
Sie nahm ihn entgegen.
»Danke, Monsieur.«
»Ihr habt Euren Stuhl, Euren Wein. Können wir weitermachen?«
Carla deutete auf den verbrannten, blutenden Hund.
»Dieses arme Geschöpf hat Euch gute Dienste geleistet. Ihr schuldet ihm mehr als Grausamkeit.«
Grymonde straffte die breiten Schultern. Er runzelte die Stirn.
»Hast du das gehört, Joco? Wir stehen in der Schuld eines sterbenden Hundes.«
Jocos Lippen zuckten. Er wusste nicht, was er damit anfangen sollte.
»Ich stehe bei keinem Hund in der Schuld, aber mir schuldet ihr viel. Auch Gobbos Anteil.«
Grymonde trat an ihm vorüber und hob einen Vorschlaghammer auf. Fast ein Viertel des Stiels verschwand in seiner Hand.
»Einen doppelten Anteil? Mit welcher Begründung? Habt ihr euer Testament geschrieben, du und Gobbo, ehe ihr in den Krieg gezogen seid? Wie die Soldaten Davids?«
»Welcher David?«, fragte Joco.
»Carla, die edle Dame aus dem Süden, hat recht. Dieser Hund hat uns gute Dienste geleistet. Genau wie die Füchse Samson gegen die Philister geholfen haben.«
Der Hammer sauste herab, als wäre er kaum mehr als eine Fliegenklatsche, und zerschmetterte dem Hund den Schädel. Grymonde schaute zu Joco.
»Weißt du, wer Samson war?«
Joco verzog angestrengt das Gesicht. »Hat Jesus den nicht von den Toten erweckt?«
»Nein, nein«, sagte Papin. »Das war Lazarus. Samson hat die Juden aus dem Tempel verjagt, und dann hat er das Dach mit bloßen Händen heruntergerissen.«
»Und die Philister haben ihn gleich neben Jesus ans Kreuz geschlagen, stimmt’s?«, mischte sich Bigot ein.
Ein Wirrwarr unterschiedlichster Theorien wurde geäußert. Grymonde schaute zu Carla herüber.
»Nun seht Ihr, warum diese armen Kinder einen Vater brauchen.«
Er legte seine freie Hand auf den Kopf des Hammers und rammte ihn Joco in den Bauch. Joco sackte zusammen, japste nach Luft und brachte keinen Ton heraus.
»Und jetzt zeige ich euch allen, warum ihr ihm gehorchen müsst.«
Grymonde schwang den Hammer gegen Jocos Rippen. Carla und alle anderen konnten das Krachen und Stöhnen hören.
Carla zuckte nicht mit der Wimper.
»Jetzt schauen wir zu, wie Joco den Hund frisst.«
Er packte Joco mit einer Riesenhand beim Nacken, zerrte ihn auf alle
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