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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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so seltsamen Geruch aus, dass ihr kein Vergleich einfallen wollte. Seine Haut war von einem fettigen Film überzogen und großporig, aber nicht pockennarbig. Sie hielt seinem Blick stand. Im Augenblick gab es auf der ganzen Welt nur einen einzigen lohnenden Verbündeten für sie, und das war Grymonde.
    »Helft mir nach draußen. Ich brauche frische Luft.«
    Sie machte einen Schritt auf die Schwelle zu. Grymonde stützte sie und kam mit. Sie spürte, dass Antoinette an ihren Röcken hing. Dann waren sie draußen.
    Als müsste er ein unvorhergesehenes Dilemma überdenken, sagte Grymonde: »Ihr seid schwanger.«
    »Ja, das bin ich.«
    »Wir hatten die Absicht, Euch alle zu töten, alle.«
    »Es ist klar, dass Ihr mich oder mein ungeborenes Kind nicht töten wollt.«
    Grymonde schürzte die Lippen.
    »Warum auch?«, fuhr Carla fort. »Seid Ihr nicht der Anführer hier? Der König der Diebe?«
    »Macht Ihr Euch über mich lustig, oder wollt Ihr an meine Eitelkeit appellieren?«
    »Ich rede von dem, was ich in Eurem Herzen sehe.«
    »Ich werde nicht von meinem Herzen gesteuert.«
    »Wenn ich die kühne Behauptung wagen darf …«
    Grymonde lachte.
    »… dann glaube ich Euch das nicht.«
    Er starrte sie an, und sie fragte sich, ob sie zu weit gegangen war.
    Um seine Verlegenheit zu überspielen, rief er seine verbliebenen Gefolgsleute zusammen.
    »Kommt her, meine tapferen und getreuen Schurken. Es ist Zeit, das zu ernten, was wir gesät haben. Und kein noch so wilder Hunger soll ungestillt bleiben.«
    Eine Bande junger Burschen kam aus allen Richtungen zusammengelaufen, manche hinter dem Hôtel d’Aubray hervor. Es waren mehr als die neun, die nach Carlas Zählung noch hätten übrig sein sollen, aber vielleicht waren einige auch zu jung, um als Männer gezählt zu werden. Die meisten gingen barfuß durch den Dreck. Ihre Gesichter waren vernarbt und verdreckt. Manche hatten Verbrennungen und stanken nach Naphtha und verbranntem Haar. Alle hatten sich weiße Stoffstreifen um einen Arm gebunden. Sie zogen ein halbes Dutzend zweirädrige Karren mit, wie man sie auf Märkten sah.
    Sie schwenkten Fackeln in der Nacht, sie waren gekommen, um Blut zu vergießen und Angst und Schrecken zu verbreiten, um zu plündern, um denen da oben die Messerspitze auf die Brust zu setzen.
    Und doch war ihr Jubel gedämpft, als warteten sie auf Grymondes Erlaubnis, sich endlich gehen zu lassen.
    Carla hatte mit Armeen zusammengelebt. Sie wusste um die unterschiedlichen und starken Kräfte, die nötig waren, um Männer zusammenzubinden und einem gemeinsamen Ziel zu verpflichten. Diese Kraft war hier Grymonde. Seine Armee war ein Haufen zerlumpter Kerle, kaum besser als ein ganz gewöhnlicher Mob. Carla sah nur einen, der einiges über zwanzig Jahre alt zu sein schien. Er hatteeine hässliche V-förmige Narbe auf der Stirn, die ihn als Dieb brandmarkte. Alle außer ihm zeigten höchsten Respekt vor Grymonde.
    »Lasst einen Stuhl holen«, sagte Carla. »Wenn Ihr so freundlich wärt.«
    »Was?«, fragte Grymonde.
    »Einen Stuhl. Ich fühle mich schwach. Und einen Becher Wein. Beides findet Ihr in der Küche.«
    »Joco! Einen Stuhl und einen Becher Wein aus der Küche.«
    Joco, der gebrandmarkte Dieb, deutete auf zwei niedere Chargen.
    »Papin. Bigot.«
    Auf dem Weg ins Haus mussten die beiden durch eine Hundemeute rennen, die sich im Flur versammelt hatte, um das Blut aufzulecken. Die Tiere schnappten nach den nackten Fußgelenken, und die anderen zerlumpten Burschen lachten.
    Joco grinste Carla höhnisch an. Sie fühlte seinen Hass. Er begriff, was sie vorhatte, und es ärgerte ihn. Je mehr Grymonde sich auf ihre Seite schlug, desto weniger konnte er sich vor seiner Bande aus dieser Position zurückziehen, besonders, wenn er herausgefordert wurde. Sie musste alles riskieren. Also zog sie verächtlich eine Braue in die Höhe und schaute Joco starr an, um ihn weiter zu provozieren. Der fletschte die Zähne. Er wedelte Grymonde mit der Hand vor der Nase herum.
    »Sind wir hier, um diese Schweine zu schlachten oder um sie hinten und vorn zu bedienen?«
    »Die Schweine sind nur reif zum Schlachten, weil ich den Eber umgebracht habe.«
    »Wenn dir das Kind Sorgen macht«, sagte Joco, »das kann ich ihr aus dem Bauch schneiden, ehe wir sie umbringen.«
    Wieder Kichern und übertriebenes Stöhnen. Grymondes Blick brachte sie zum Schweigen.
    »Der arme Joco ist traurig, weil der arme Gobbo, sein Bruder, tot ist …«, hob Grymonde an.
    »Hast du gesehen,

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