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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Papin nahmen den Leichnam bei den Knöcheln und zerrten ihn hinter sich her.
    »Nehmt seine Kleider, wenn er sich nicht in die Hosen geschissen hat, und dann werft ihn in diese Jauchegrube da. Und hakt die Kette wieder ein, wenn ihr zurückkommt.«
    Grymonde legte den Speer auf den Karren und achtete sorgfältig darauf, dass die Klinge unter dem Gepäck verborgen war und keinen der Mitreisenden verletzen konnte. Er untersuchte die Kappe des Toten auf Läuse. Als er keine fand, wandte er sich an Carla.
    »Kein Henker hätte es ordentlicher machen können.«
    »Das wird Euer Gewissen sehr erleichtern.«
    Er lachte mit solcher Begeisterung, dass Carla wider Willen lächeln musste.
    »Wer ist Euer abtrünniger Ehemann? Wenn er nicht sehr reich ist, muss er sehr ritterlich sein, um Euch zu verdienen.«
    »Ich bin nicht sicher, ob Mattias zugeben würde, dass er ritterlich ist, obwohl Instinkt und Schicksal ihn zum ritterlichsten Mann gemacht haben, den ich kenne. Er strebt zwar nach Reichtum, sieht ihn aber nicht als Maß für einen Menschen an. Ich habe gesehen, wie er alles, was er besaß, ohne Zögern oder Bedauern in die Flammen warf, um eine Freundin zu retten. Er ist im Herzen ein Spieler, und das Leben ist ihm gleichzeitig Spiel und Einsatz.«
    Sie merkte, dass ihre Stimme zitterte, und verstummte.
    »Dann passt Ihr gut zusammen«, sagte Grymonde.
    »Ich weiß nicht, warum er nicht nach Hause zurückgekehrt ist. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt.«
    »Ihr wart diese Freundin, für die er alles ins Feuer geworfen hat.«
    Carla nickte wortlos.
    »Dieses Spiel hat er zumindest gewonnen«, meinte Grymonde.
    Carla begann zu weinen.
    Sie senkte den Kopf und verbarg die Augen hinter einer Hand. Sie kämpfte gegen die Tränen an, denn sie hielt sie für schwach und unangebracht, wenn sie stark sein musste. Doch sie flossen weiter. Ihre Sehnsucht nach Mattias zerriss sie beinahe. Er war ihr nicht mehr nah. Sie spürte nicht mehr, wie sein Wesen sie zu erreichen versuchte. Sie fühlte sich mutterseelenallein.
    Sie kannte das Gefühl gut. Es hatte sie nie wirklich verlassen. Es hatte ihre Kindheit und Jugend beherrscht. Ihre einzigen Gefährten waren damals die Musik, die verlassenen Strände von Malta und das Meer gewesen. Später im Exil waren Amparo und mehr Musik dazugekommen; und dann Mattias und ihr Sohn Orlandu, den sie verloren, in gewisser Weise nie ganz wiedergefunden und nun wieder verloren hatte. In sich trug sie ihr Kind. Sie konnte spüren, wie sich sein Kopf in ihr Becken senkte, ihre Knochen dehnte, aber sie konnte es nicht mehr so spüren wie in den letzten Monaten. Erst jetzt begriff sie, wie tief und wunderbar diese seltsame Gemeinschaft gewesen war.
    Und doch spürte sie in ihrer mächtigen Einsamkeit, in der Erkenntnis über sich selbst und über Gott, die sie ihr gebracht hatte,ihre größte Stärke. In ihrer Fähigkeit, allein, mutterseelenallein zu sein, lag ihre Freiheit. Sie trocknete sich die Augen am Kleid. Sie schaute zu Grymonde. Er drehte die Kappe in seinen Riesenhänden, blieb aber still, und dafür war sie ihm dankbar. Sie lächelte.
    »Man zahlt einen hohen Preis dafür, irgendwohin zu gehören«, sagte sie. »Das ist mir immer schwergefallen.«
    Er wusste nicht genau, was sie meinte, fragte aber nicht nach. Er lehnte sich in den Karren hinein und setzte Antoinette die Kappe auf. Sie war zwar zu groß, aber er schob sie so elegant zurecht, dass man es kaum sah. Die Kappe war aus dunkelblauem Serge und von der Art, wie ein Handwerker sie tragen würde. Das weiße Kreuz war aus Papierstreifen.
    »Heutzutage ist der Tod der Preis«, sagte Grymonde. »Aber nicht, wenn Ihr zu mir gehört. Uns halten sie nicht für Hugenotten. Wir sind arm.«
    »Es stimmt also.«
    »Die Bürgermiliz marschiert auf der Place de Grève auf. Die hugenottischen Oberen sind schon ermordet, unten im Louvre, das haben sie die Schweizer machen lassen.«
    »Sie können doch nicht alle Hugenotten in Paris töten«, sagte Carla.
    »Sie können es versuchen.«
    »Versucht Ihr’s?«
    »Warum?«, fragte Grymonde. »Was liegt Euch an den Scheinheiligen? Oder glaubt Ihr nur, dass Euch etwas an ihnen liegen sollte?«
    »Es wäre töricht von mir, mit einem, der Frauen und Kinder niederstreckt, über Moral zu streiten, und es ist töricht von Euch, das von mir zu erwarten. Ich sage nur, dass mir an der Gesellschaft liegt, die mir aufgezwungen wurde.«
    »Ich töte nur für Gewinn und um zu schützen, was mir gehört. Fühlt

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