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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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benutzen und die Pferde auf einer Koppel unterbringen, auf der noch Gras wuchs und deren Zaun einigermaßen heil war.
    Es hätte also schlimmer sein können. Dennoch dachte Hedwig später, dass dieser Abend der Beginn einer Pechsträhne gewesen war. Sie hatten gerade eine schöne Feuerstelle aufgebaut, da verhinderte ein schwerer Regenguss, dass sie das Feuer entzünden konnten. Wilkin klagte nicht, doch Hedwig sah ihm an, dass er sich nach den wärmenden Flammen und einem heißen Essen gesehnt hatte. Die spärliche Wärme ihrer Umarmung auf dem gemeinsamen Lager unter der kleinen, zwischen Büschen gespannten Zeltbahn konnte nicht verhindern, dass er am Morgen anfing zu husten. Irina, die zu Hedwigs Seite im selben Zelt schlief, hatte sich mit einem beginnenden Husten schon in der Nacht herumgequält.
    Nicht nur die angeschlagene Gesundheit ihrer Gefährten machte Hedwig Sorgen, sondern auch das merkwürdige, halb heimliche Gespräch, welches Wilkin vor dem Aufbruch an diesem Morgen mir ihrem wegeskundigen Polen führte. Sie verstand nicht, worüber sie sprachen, doch der Mann schien nicht mit dem einverstanden zu sein, was Wilkin sagte. Aus dem Tonfall, den Mienen und Gesten der beiden las Hedwig ab, dass Wilkin dem Führer Geld bot, was diesen beschwichtigte. Kurz darauf kam ihr Gatte zu ihr, um sich von ihr barbieren zu lassen. Sie hatte hartnäckig darauf bestehen müssen, dass er ihre Hilfe hierbei annahm, denn er hatte ihr diese Tätigkeit nicht zumuten wollen. Doch sie hatte Richard regelmäßig seinen Bart gestutzt und wusste, dass dieser es genossen hatte.
    » Worüber habt ihr gesprochen?«, fragte sie.
    Er zuckte mit den Schultern und lächelte flüchtig auf die beschwichtigende Art, die ihr bedeuten sollte, dass es sie nicht kümmern musste. » Ich habe erfahren, dass es einen Weg gibt, der für uns sicherer ist als der kürzeste. Der Pole ist nicht glücklich, weil er es gern bequem hat. Ich dagegen lege keinen Wert darauf, eine Straße zu benutzen, an der Räuber nur warten müssen, bis der nächste Fang daherkommt. Um die Sicherheit von Reisenden ist es in Ungarn noch schlechter bestellt als in Brandenburg, habe ich mir sagen lassen. Niemand wacht über die Wege.«
    Hedwig legte ihm ein Tuch um und seifte sein Gesicht ein. Sie hatte den Bogen schnell herausbekommen und empfand es als Herausforderung, seine Haut so glatt zu scheren, wie er es schätzte, ohne ihn zu verletzen. » Aber so ein lohnender Fang sind wir doch nun auch wieder nicht. Immerhin sind wir alle gut bewaffnet«, wandte sie ein.
    » Hmmm«, machte er, offensichtlich zufrieden damit, dass ihn Seife und Messer davon enthoben, noch einmal den Mund öffnen zu müssen. Ob sein Laut Zustimmung oder Zweifel bedeutete, vermochte Hedwig nicht zu sagen. Auch später nahmen sie das Gespräch nicht wieder auf, da bei aller Übung, die sie darin mittlerweile hatten, die morgendlichen Aufbruchsvorbereitungen ihre Aufmerksamkeit beanspruchten.
    Hedwigs Hungergefühl nach musste es um die Mittagszeit sein, als der Führer ohne ersichtlichen Grund anhielt, um sich noch einmal mit Wilkin zu besprechen. Kurz darauf trieb der Mann sein Pferd das steinige Gefälle der Wegböschung hinab auf ein abgeerntetes Kornfeld. Wilkin bedeutete ihnen, dem Mann zu folgen, und wartete selbst auf der Straße, bis alle Pferde den kleinen Abstieg gemeistert hatten. Sobald er seinen Platz hinter dem Führer wieder eingenommen hatte, trieb er sie zur Eile an, um außer Sichtweite der Straße zu gelangen.
    Nun spürte Hedwig deutliches Unbehagen über den Plan der Männer. Sie hielt es zwar nicht für grundsätzlich dumm, von der gängigen Strecke abzuweichen, doch in einem unbekannten Land die Straße zu verlassen, barg ebenfalls Gefahren. Misstrauisch musterte sie den Polen. Er ritt voran, wo für sie kein Hinweis auf einen Pfad zu erkennen war, bewegte sich aber so zielstrebig, dass es keinen Grund gab, an seiner Ortskenntnis zu zweifeln. Dennoch fühlte sie sich nicht wohl, und auch dem Rest der Reisegesellschaft war die Verunsicherung anzumerken. Alle waren wortkarg und blickten sich häufig um, als wäre es nun wahrscheinlicher geworden, dass sie überfallen wurden. Auch Hedwig musterte ihre Umgebung. Aus ihrer jahrelangen Erfahrung als Waldläuferin heraus prägte sie sich für den Fall, dass sie zurückfinden musste, den Weg ein. In den heimischen Wäldern war ihr das gewöhnlich hervorragend gelungen, doch in dieser fremdartigen, kargen und steinigen Gegend ahnte

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