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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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und machten Hedwig sprachlos vor Ehrfurcht. Schließlich blieb Bori stehen und zeigte auf eine weitere Höhle, in der ähnliche Gebilde weiß schimmerten und glänzten.
    » Ott már jég van. Odáig nem megyünk. Itt élt a sárkány«, sagte sie. › Sárkány‹ sagte sie nun zum zweiten Mal, und Hedwig hatte es schon verstanden, bevor Bori sich bückte und etwas vom Boden aufhob. Es war ein riesiger Schädel, so monströs und fremdartig, dass es nur eine Erklärung gab. Bori hatte sie in die ehemalige Behausung eines Drachen geführt. Verdutzt ließ Hedwig sich von ihr den Schädel in die Hände drücken und betrachtete ihn.
    » Wegen Furcht sind sie gegangen. Furcht vor ihm und seinen bösen Männern«, sagte Bori auf Deutsch.
    » Aber der Drache ist tot. Wer sind die bösen Männer?« Neugierig musterte Hedwig ihre Begleiterin, doch diese zuckte nur mit den Schultern, nahm ihr den Schädel aus der Hand und legte ihn zurück auf den kleinen Knochenhaufen am Boden. » A sárkány soha nem hal meg. Der Drache stirbt nie«, sagte sie.
    Am selben Tag erfuhr Hedwig, dass einer ihrer Reisegefährten längst mehr über Borbála und die Dorfbewohner wusste als sie. Bei ihrer späten Rückkehr, nach dem heftigsten Toben des Unwetters, kam Hüx ihnen entgegen, und seine Erleichterung galt eindeutig ebenso sehr Bori wie ihr, wenn nicht sogar mehr. Er nahm ihr den von Hedwig erlegten Rehbock ab, obgleich sie ihn mit Leichtigkeit über den Schultern zu tragen schien. Hedwig hatte ihr unterwegs angeboten, sich mit der Last abzuwechseln, doch sie hatte gelacht und abgewehrt.
    » Beim nächsten Mal gehe ich mit«, sagte Hüx, so entschlossen wie ungehalten. Auch daraufhin lachte Bori, was Hedwig ahnen ließ, dass sie viel mehr verstand, als sie ihr gegenüber zugab.
    An diesem Tag erhielt Hüx, nachdem er den Dorfbewohnern ihren Teil Fleisch gebracht und dafür auffallend lange gebraucht hatte, von diesen drei goldbraune geräucherte Käselaibe. » Ostipok«, sagte er und überreichte sie Hedwig.
    Seine Stimme klang ein wenig belegt, deshalb musterte sie ihn besorgt. Seine geröteten Wangen und der Glanz seiner Augen ließen sie befürchten, dass auch er nun krank wurde. » Fühlst du dich nicht wohl?«, fragte sie.
    Er sah sie an und lächelte auf einmal strahlend. » Doch. Ging mir nie besser, edle Herrin. Und Bori sagt… sie sagt, es gäbe eine Scheune weiter hinten im Tal, etwas versteckt, in der Heu liegt. Eine Weile können wir es also hier aushalten. Wenn auch…«
    Hedwig nickte und winkte ab. » Wenn wir auch nicht alle Pferde hier über den Winter bringen können, ich weiß. Bori muss dich mögen, wenn sie dir das mit dem Heu verraten hat. Mit mir spricht sie kaum.«
    » Oh. Nein, nein. Sie mag Euch. Aber sie kennt ihren Stand. Und den Euren. Sie sorgt sich, weil der Grundherr durch uns von ihr erfahren könnte, und sie hätte es lieber, wenn er es nicht täte.«
    » Aber warum?«
    » Sie ist nicht unfrei, aber sie stammt aus einem Dorf von Leibeigenen in der Zips und ist ohne Erlaubnis von dort fortgegangen. Käme es heraus, würde sie zurückgebracht und leibeigen gemacht. Als freie Bäuerin müsste sie Abgaben leisten, die sie nicht aufbringen könnte. Außerdem würde sie für die Jagd bestraft, wenn man sie und Euch erwischte. Niemand würde dann noch für die Leute hier sorgen.«
    » Das hat sie dir alles erzählt? So gut spricht sie unsere Sprache? Dann hat sie mich sehr gut getäuscht.«
    » Sie hat es von den deutschen Bergleuten in der Zips gelernt, wo sie unter Tage gearbeitet hat, bis sie es nicht mehr aushielt. Aber ganz verständlich spricht sie nicht. Es hat lange gedauert, bis ich das alles herausbekommen hatte.«
    » Und hast du auch erfahren, wo die anderen Dorfbewohner hingegangen sind? Sie meinte, sie hätten sich vor einem Drachen gefürchtet.«
    » Das Leben hier war schwierig für sie geworden. Die Abgaben wurden immer höher bemessen. Dann fand eines Tages einer der jungen Bauern in den Bergen den Drachenschädel und brachte ihn mit ins Dorf. Die älteren Leute schlugen die Hände über den Köpfen zusammen und sagten, das wäre ein böses Omen dafür, dass der große Drache, der auf dem Land sitzt, es noch schlimmer treiben und sie alle zugrunde richten würde. Da haben sie ihre paar Sachen zusammengepackt und sind davongezogen.«
    » Was soll das für ein Drache sein? Und wo sind sie hin?«
    Hüx druckste herum, zuckte mit den Schultern und sah sich im Haus um, als suchte er eine Aufgabe, in

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