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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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ihm hütete. » Der König wird sein Geld erhalten, sei beruhigt«, sagte sie und erhob sich wieder, um herauszufinden, in welchem Zustand die beiden kranken Knechte waren. Auch um etwas zu essen wollte sie sich kümmern und nach Hüx und den Pferden sehen.
    » Hedwig.« Dieses Mal klang Wilkin schwach und bittend.
    » Ja? Brauchst du etwas?«
    Wieder streckte er matt die Hand nach ihr aus, diese Geste, bei der sich ihr Herz zusammenzog, weil sie ihn und Richard gleichzeitig sah. » Kannst du ein wenig bleiben?«
    Betroffen spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Wenn du ihn liebtest… Auf einmal fühlte sie sich leer und erschöpft. Mit einem ungewollten Seufzen ließ sie sich neben ihm nieder.
    » Es tut mir leid«, flüsterte er und schloss die Augen.
    Sie umfasste mit beiden Händen seine Hand und legte sie sich in den Schoß. » Ja. Mir tut es auch leid.«
    Bist du so hartherzig? War sie das? Lag es ihr wirklich mehr, für ein Pferd zu sorgen als für ihren Mann? Richard hatte sie zur Aufrichtigkeit erzogen, und sie konnte auch zu sich selbst ehrlich sein und erkennen, dass sie es nicht mochte, Kranke zu pflegen. Wenn ihr nichts anderes übrigblieb, dann konnte sie es, doch sie wäre jederzeit lieber einen Tag lang durch knietiefen Schlamm gestapft, um ein paar Vögel für die Krankenkost zu schießen, als einem Kranken seine Suppe einzuflößen. Sie schämte sich dafür, doch sie konnte seit Richards Tod das Elend anderer nicht gut aus der Nähe ertragen.
    Hätte sie gewusst, wie viele solcher Nächte ihr noch bevorstanden, wäre sie vielleicht verzweifelt. Während draußen Schnee fiel, Stürme tobten und der Winter auf diese Art unaufhaltsam die Pfade über das Gebirge unpassierbar machte, genasen die beiden Knechte Karl und Laban von ihrem Fieber, doch Wilkin blieb in den Klauen der Krankheit. Zu Hedwigs Kummer schwankte sein Zustand so, wie sie es auch bei Richard gesehen hatte. Auf gute Tage, an denen er aufstehen konnte, folgten schlimme Rückschläge.
    Immerhin war sie dieses Mal nicht allein. Irina erholte sich völlig und übernahm die meisten häuslichen Arbeiten. Hüx, Karl und Laban konnte sie ihre Versorgung mit Brennholz und die Sorge für die Tiere und deren Futter übertragen. Auf diese Weise konnte sie selbst sich Bori anschließen, wenn diese auf die Jagd ging. Die ungewöhnliche junge Bäuerin war vor allem eine geschickte Fallenstellerin und Hedwig in der Pirschjagd unterlegen, doch sie kannte die Eigenheiten des Gebirgswildes, jeden Wechsel, die Futterplätze und die Wasserstellen. Es herrschte kein Überfluss an Wild, und die Tiere waren scheu. An manchen Tagen mussten die beiden Frauen weite Strecken zurücklegen, um Beute zu machen. Jedem fehlgegangenen Pfeil spürten sie mit scharfem Blick anhand der kleinen Schleifstellen und Löcher in der Schneedecke nach, damit ihnen die kostbaren Geschosse nicht ausgingen. Dennoch verloren sie viele, und noch dazu trugen sie Frostbeulen an den Fingern davon.
    Trotzdem gelang es ihnen gemeinsam, die Menschen im Dorf vor dem bittersten Hunger zu bewahren. Ob sie damit gegen das Gesetz eines Grundherrn verstießen, wusste Hedwig nicht; sie sah darüber hinweg. Jeder Lehnsmann König Sigismunds musste ihnen nachsehen, wenn sie sich in dieser Notlage selbst halfen. Sie spürte, dass Bori nicht so unbefangen jagte wie sie, doch falls es zum Streit mit einem Grundbesitzer kam, wollte sie die Bäuerin in Schutz nehmen.
    Auch nach Wochen war allerdings weder ein Grundherr noch sonst ein Mensch im Tal erschienen. Hedwig versuchte herauszufinden, warum das so war, doch entweder verstand Bori nicht, oder sie wollte nicht verstehen. Erst als sie auf einem Jagdausflug in ein Unwetter gerieten und Bori sie überraschend in einen Unterschlupf führte, wie sie ihn nie zuvor gesehen hatte, kam sie der Sache auf die Spur.
    Durch einen Spalt im Fels betraten sie eine Höhle, die so tief in den Berg hineinreichte, dass ihr Ende in völliger Dunkelheit lag. Bori kannte diesen Ort offensichtlich gut. Mit wenigen Handgriffen hatte sie eine Pechfackel aus einem Winkel genommen und mit Feuerstein und Zunder, die sie stets bei sich trugen, entzündet.
    » Most megmutatom neked a sárkány barlangját«, sagte sie und winkte Hedwig, ihr zu folgen. Mit klopfendem Herzen stieg Hedwig hinter Bori in die Tiefe und bestaunte im flackernden Licht der Fackel einen Palast aus bräunlichem Gestein. Zähne, Säulen, Kronen und Vorhänge schienen aus dem Fels gewachsen

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