Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
die er sich rasch flüchten konnte.
» Nun sag schon. So schlimm kann es doch nicht sein«, drängte Hedwig ihn.
» Es ist besser, wenn Ihr es nicht wisst, edle Frau.«
Er hängte das edle Frau an, um ihr einen Fingerzeig auf die Grenze zwischen ihnen zu geben, wie sie wohl merkte. Es verletzte sie ein wenig, dass er auf dem Standesunterschied beharrte und nicht mehr Vertrauen zu ihr hatte. Zufriedengeben konnte sie sich mit der Auskunft nicht. » Ich werde es für mich behalten, aber ich will es wissen, Hüx.«
Mit sichtlichem Unbehagen ergab Hüx sich in sein Schicksal, sprach aber sehr viel leiser als zuvor. » König Sigismund ist der Drache, Herrin. Und das Ziel der Leute war Böhmen. Sie sind gegangen, um sich den Hussiten anzuschließen. Seid barmherzig, ich bitte Euch.«
Unwillkürlich warf Hedwig einen Blick auf Wilkin, der auf der anderen Seite des Raumes neben dem Herd schlief. Auch sie sprach nun nur noch sehr leise. » Du hast recht, Hüx. Das behalten wir besser für uns.«
Es vergingen noch einige Tage, bevor eine weitere Entdeckung Hedwig erschütterte. In einer der kalten, doch sonnigen Stunden des Dezember sah sie Irina zum Bach gehen, um Wasser zu holen, beschloss, ihr zu helfen, und folgte ihr in einigem Abstand. Sinnend stand ihre Freundin am Ufer des Wasserlaufs und blickte zu den Berggipfeln. Beide Hände hatte sie auf ihren Bauch gelegt, der so deutlich gewölbt war, dass Hedwig nicht begriff, wie sie das in den vergangenen Wochen hatte übersehen können. Irina wurde ihrer gewahr, wandte sich zu ihr um und verzog schmerzlich das Gesicht. » Oh. Hast du es nun endlich bemerkt?«
» Endlich? Warum hast du es mir nicht gesagt? Wann ist das geschehen? Wer ist der Vater?«
Irina seufzte müde. » Darum habe ich es dir nicht gesagt. Wegen all dieser Fragen. Was sollte ich dir erzählen? Ich habe gehofft, es wäre nicht wahr. Der Vater ist nicht mein Gatte, wie du wohl weißt. All die Jahre mit Adam hätte ich gern ein Kind gehabt, habe aber nie eines empfangen. Und nun dies. Ich muss unserem Herrgott sehr missfallen, dass er mich so straft.«
Hedwig wusste, dass sie ihre Freundin hätte trösten sollen, war jedoch zu fassungslos. » Sag mir bitte, wer der Vater ist. Er darf dich nicht…«
Mit einem wütenden Funkeln in den Augen wandte Irina sich ihr zu. » Was darf er nicht? Alles dürfen sie, die Männer. Solange sie sich nur an denen vergehen, die geringeren Standes sind. Ein fahrendes Weib hat keine Rechte. Das wusste schon meine Mutter so gut wie meine Schwestern.«
Jäh verstand Hedwig, und gleichzeitig durchfuhr eisige Angst sie. » War es an dem Huldigungsabend, als ich mit zur Jagd geritten bin? Irina, es war doch nicht mein Onkel?«
Ihre Freundin schüttelte den Kopf. » Nein. Dein Onkel ist anständiger als sein Ruf. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder war es der noch lebende Bruder deines Gatten– die Hölle möge ihn auf ewig verschlingen–, oder es war Cord.«
Hedwig wich von ihr zurück. » Nein.« Mehr brachte sie nicht hervor, ihr Verstand war gelähmt. Cord?
Irina sah ihr kühl in die Augen. » Welche Möglichkeit erschüttert dich mehr? Fragst du mich, so hoffe ich von Herzen, dass Cord der Vater ist. Er hat mir keine Gewalt angetan, und ein Kind von ihm wäre nicht grässlich, wenn ich die Schande überlebe, es ledig zur Welt zu bringen. Denn heiraten wird er mich so wenig wie der verfluchte von Torgau. Nicht, dass ich mir den als Gatten wünschte. Ich würde ihn vergiften.«
Hedwig sah Cords lachendes Gesicht vor sich, spürte wieder seinen Kuss, seine Hand auf ihrem Arm. Verwirrt schloss sie die Augen und fühlte dem Schmerz nach. Es war schlimm genug, dass er Irina in diese Lage gebracht hatte. Doch seine Tat verletzte sie weit darüber hinaus, als hätte er ihr die Treue gebrochen. Dabei war er ihr durch nichts verpflichtet, wie sie sehr wohl wusste. Sie hatte einen anderen geheiratet. » Cord. Wann hast du mit ihm…?«
Ihre Worte kamen stockend heraus, und ihr Gesicht musste wie ein offenes Buch sein, denn Irina schnaubte abfällig. » Es war ein einziges Mal. Wir waren beide traurig. Und er hat dabei an dich gedacht, falls es das ist, worüber du nachdenkst.« Brüsk ließ sie Hedwig stehen und ging zum Haus, die Hände wieder auf ihren Bauch gelegt, als hätte sie von nun an nicht mehr vor, ihre Schwangerschaft zu verbergen.
Hedwig hingegen blieb noch lange stehen und betrachtete das hämische Glitzern der schroffen, weißen Winterberge, die sie
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