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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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vermutete.
    Mara schlug die Augen auf, sah sie und begann zu weinen. Auch die Säuglinge schrien nun immer lauter.
    » Nem akarok meghalni«, wiederholte Mara immer wieder.
    Ich will nicht sterben. So viel verstand Hedwig. » Du stirbst nicht«, sagte sie, mit weit mehr Überzeugung, als sie fühlte. In Wahrheit hatte sie zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch aus dem Zootzener Wald das Gefühl, dass sie sich rettungslos übernommen hatte.
    Sie hatte unwillentlich einen Mann getötet, was schon schlimm genug gewesen wäre, ganz gleich, ob er es verdient hatte. Doch dazu hatte sie nun zu wenig Hände, um sich um drei hilflose Geschöpfe gleichzeitig zu kümmern. Ihre einzige Unterstützung war ein verrücktes Pferd, welches soeben erfolgreich den fremden Hengst vertrieben hatte und nun hin- und hertrabend und mit dem Kopf schlagend seinen Sieg feierte.
    Hedwig nahm Maras Hand und legte sie auf das bereits blutgetränkte Tuch. » Halt das ganz fest und drück darauf.«
    Anschließend hob sie zuerst den kleinen Imre auf, küsste ihn, tastete ihn eilig ab und tat dann dasselbe mit Juli. Ihr spitzer und schriller werdender Schrei zeigte ihr, dass sie diejenige war, die der Pferdehuf getroffen hatte. Bei der Vorstellung, was der Tritt angerichtet haben konnte oder hätte anrichten können, überlief es Hedwig eiskalt. Hastig wickelte sie die Kleine aus und fand eine große, blaurote Schwellung an ihrem rechten Bein.
    Wie ein Fausthieb in den Magen traf Hedwig die Einsicht, wie sehr sie versagt hatte. Es war ihr nicht nur misslungen, Irinas Tochter zu beschützen, sie war allein schuld an dem ganzen Unglück. Was auch immer Ludwig von Torgau gewollt hatte, es war ihm gewiss nicht um Mara und die Kinder gegangen. Wer wusste schon, ob er sich nicht sogar freundlich verhalten hätte, wenn sie ihm gesagt hätte, dass Juli möglicherweise seine Tochter war. Nun würde er es nie erfahren, so wie Juli ihm niemals begegnen würde, und auch daran trug sie die Schuld. Gebrochen beugte Hedwig sich über das untröstlich vor Schmerzen schreiende winzige Mädchen und wiegte es, ohne ihm helfen zu können.

    Wilkin hatte vor, zur » Silbernen Au« zurückzukehren, um nun doch noch den Wirt durchzuschütteln, doch von der Straße aus sah er hinter dem Anwesen, am fernen Ende einer Wiese, ein reiterloses, gesatteltes Pferd grasen. Kurzentschlossen überquerte er daher eine kleine Brücke, die über einen Bach führte, und folgte einem Fußpfad, der ihn in die Nähe des Pferdes brachte. Aus der Nähe erkannte er den Grauschimmel verblüfft als den seines Bruders, und seine Beunruhigung wuchs. Es konnte nur einen bösartigen Grund dafür geben, dass Ludwig hier nach ihm gesucht hatte. Eilig fing er den Grauen ein und band ihn im Wald, außer Sichtweite der Straße, an einen Baum. Dann folgte er dem sichtbaren Pfad.
    Er wusste, dass er auf dem richtigen Weg war, als Tiuvel ihm drohend entgegenkam. Der Schwarze lenkte ein, als er Wilkins Reisepferd erkannte, und kehrte um.
    Wilkin trieb seinen Wallach an und stieß kurze Zeit später auf einen kleinen Lagerplatz, an dessen Rand Irinas Stute angebunden stand. Die Szene vor ihm war nicht geeignet, ihn zu beruhigen. Ein mit halb getrocknetem Blut bedecktes Weib saß an einen Baum gelehnt da und stillte einen Säugling, der dabei unglücklich wimmerte. Schreckensbleich starrte sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Neben ihr lag zu einer Seite ein zweites Kind, zur anderen Seite Ludwig– bewusstlos oder tot.
    Entsetzt blickte Wilkin sich um. Wo war Hedwig? Mit einem Schlag fühlte er nun wieder die ganze Übelkeit erregende Angst um sie. Er wollte sie zurückhaben, lebend und heil. Unwillkürlich rief er laut ihren Namen.
    Seine Erleichterung kannte keine Grenzen, als sie hinter einem Baum hervortrat. Wie üblich hielt sie ihren Bogen mit aufgelegtem Pfeil, doch zitterten ihre Hände, was ganz ungewöhnlich für sie war. Sie war sichtlich gezeichnet von schrecklichen Ereignissen, ihr Gesicht erschöpft und verweint, ihre Ärmel voller Blutflecken.
    Wilkin folgerte, was sich abgespielt hatte, und er war mit den Fragen um gewaltsame Todesfälle vertraut genug, um sofort zu wissen, dass Ludwigs Tod sie vor erhebliche Schwierigkeiten stellte. Doch als er vom Pferd sprang, auf Hedwig zustürmte und sie in seine Arme riss, vergaß er jede Vernunft. Umso mehr, da sie ihren Bogen fallen ließ, sich an ihn schmiegte und begann, haltlos zu schluchzen.
    » Ich wollte das nicht«, stieß sie hervor. » Ich

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