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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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wollte ihn nicht töten. Aber er hat Mara bedroht und…«
    » Schsch. Du warst es gar nicht. Hörst du?« Er küsste sie, ließ sie los und ging zu seinem toten Bruder hinüber. In Ludwigs Gesicht zu blicken, vermied er, trotz aller Abneigung gegen ihn. Dabei war es nur gekommen, wie es hatte kommen müssen. Sein ganzes Leben lang hatte er das Gefühl gehabt, dass auf der Welt nur für ihn oder seine Brüder Platz war, nicht für sie alle gemeinsam.
    Er nahm dem Toten seinen Mantel und den leichten Harnisch ab, zog beides behutsam über den noch steckenden Pfeil. Anschließend suchte er sich ein Stück Leder, mit dessen Hilfe er den rutschigen Pfeilschaft greifen und zwischen den Rippen des Toten hindurch aus der Wunde ziehen konnte.
    Die Angelegenheit erforderte Kraft und Geschick und wäre dennoch nicht geglückt, wenn die Pfeilspitze stärkere Widerhaken gehabt hätte. Zu ihrem Glück hatte Hedwig immer Pfeile bevorzugt, die sich leicht wieder aus der Jagdbeute oder nach Fehlschüssen aus dem Grün bergen ließen.
    » Gib mir deinen Bogen und die Pfeile«, sagte er und wandte sich zu ihr um.
    Sie stand, wo er sie hatte stehen lassen, und beobachtete ihn mit einer Miene, die zwischen Fassungslosigkeit und Abscheu schwankte. Ihm wurde klar, dass sie ihn noch niemals mit blutigen Händen gesehen hatte. Sie wusste nicht, wie selbstverständlich dieser Teil des Kriegshandwerks für ihn war. Möglicherweise wunderte sie sich aber auch nur darüber, dass er keine Pietät zeigte, was seinen Bruder anging.
    Er sah ihr in die Augen. » Wir werden ihn zur nächsten Dorfkirche bringen, und ich werde dem Priester erklären, dass ich ihn für einen Wegelagerer hielt, der Euch Frauen angriff. Ich habe ihn erst erkannt, als ich ihn erschossen hatte. Hast du verstanden? Ich habe geschossen.«
    Noch immer zitterten ihre Hände, aus ihrem unbedeckten, eingeflochtenen Haar hatten sich Strähnen gelöst, die ihr wirr ins Gesicht hingen, und ihre Augen wirkten fiebrig.
    » Das wäre eine Lüge«, sagte sie leise.
    Es hatte eine Zeit in Wilkins Leben gegeben, in der er weit von sich gewiesen hätte, dass er sich jemals zum Lügen herablassen würde. In jenen Jugendtagen hätte er sich gleich mit dem ersten jener Ritter geschlagen, die ihm wegen des Geldes für Eckhart nicht geglaubt hatten.
    Nachdenklich senkte er den Blick zu seinem toten Bruder und beobachtete, wie große rote Waldameisen über seine noch um den blutigen Dolchgriff gekrümmte, haarige Hand wanderten. Nicht die Lüge war in dieser Sache sein Verbrechen, sondern dass er nicht schon längst etwas gegen Ludwig unternommen hatte. Er hatte es zugelassen, dass seinem Eheweib nichts anderes übrigblieb, als sich tätlich zu wehren. Wäre es möglich gewesen, er hätte sie von dieser Sünde auch vor Gott reingewaschen und den Totschlag ganz auf sich genommen.
    » Es ist besser so«, sagte er.
    Und ein einziges Mal hatte sie kein » Aber« für ihn, sondern nur ein müdes, vielleicht sogar ein wenig dankbares Nicken.
    Sie brachten Ludwig zu dem Priester jener Kirche, in der bereits die Bestattung Ritter Eckharts vorbereitet wurde.
    Wilkin schilderte in gebrochenem Ungarisch den Tod seines Bruders als tragischen Unfall, an dem sie beide nicht schuldlos waren. Er nannte Ludwig einen auffahrenden, unbeherrschten Mann, der sich von einer Unhöflichkeit der Amme zu einem Angriff auf sie hätte provozieren lassen. Er– Wilkin– hätte ihn bei seiner Rückkehr zum Lager mit einem Räuber verwechselt.
    Die erschütterten Mienen der Frauen, die jeder einen Säugling trugen, und die Tatsache, dass der edle junge Ritter zuvor keine Mühe gescheut hatte, um einem Fremden zu einem christlichen Begräbnis zu verhelfen, ließ für den Priester offensichtlich alles glaubwürdig klingen. Der Geistliche nahm ihm anschließend seine falsche Beichte ab und erlegte ihm eine milde Buße auf, die der Tragik der Sache entsprach.
    Wilkin bezahlte dafür nicht nur die Bestattungen der beiden Toten, sondern hinterließ auch noch eine großzügige Spende. Er verwandte dazu den Inhalt des Geldbeutels, den Ludwig bei sich getragen hatte, und hoffte zynisch, dass Ritter Eckhart sich nicht deswegen vor Entrüstung wieder aus seinem Grab erheben würde.
    Acht Tage später trafen sie in Ofen ein, und Wilkin sah sich zum Oberhaupt eines eigenen Hausstandes aufgestiegen, als es ihm gelang, auf Hedwigs Wunsch hin ein kleines Haus in der Stadt zu mieten.
    Es war nicht das, was er sich für seine schöne Gemahlin

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