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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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getragen hatte. Doch schon am ersten Abend tauschte sie ihr kostbares Trauerkleid gegen das alte Reisekleid ein.
    Ohne die verwunderten Blicke der Männer zu beachten, spannte sie den einen ihrer beiden Bögen und übte am Rande des Lagerplatzes schießen, solange ihr noch ein wenig Tageslicht zur Verfügung stand. Sie spürte schnell, wie es sie behinderte, dass die Haut ihrer Finger weich geworden war, als sie die scharf einschneidende Sehne wieder und wieder zog. Doch auch dieser Schmerz war ihr willkommen. Bald hatte sie in die einst so vertrauten Bewegungen zurückgefunden und traf den mit Erde gefüllten, grob gewobenen Beutel, den sie als Ziel verwendete, beinah wie früher.
    Juli war bereits in dem kleinen Zelt, das die Männer für sie beide errichtet hatten, eingeschlafen, als Hedwig ihren Bogen dort neben ihrem Lager ablegte, ohne ihm die Sehne abzunehmen. Drîbein, der unter den Decken an Juli gekuschelt dagelegen hatte, kroch hervor und tollte ihr auf seine Welpenart so übermütig entgegen, dass Hedwig rasch mit ihm aus dem Zelt ging, damit er seine kleine Herrin nicht wieder aufweckte.
    Ritter Heinrich saß mit den anderen Männern am Feuer. Doch während die vier Waffenknechte sich unterhielten, beobachtete er Hedwig. Herausfordernd verharrte sie und erwiderte seinen Blick, ungeachtet dessen, dass Drîbein an ihrem Mantelsaum zerrte.
    » Wovor fürchtet Ihr Euch so, edle Frau?«, fragte er endlich mit ernster Miene.
    Sie fühlte in sich hinein und fragte sich, ob sie ihm vertrauen wollte. » Es sollte mich wundern, wenn wir unbelästigt bis ans Ziel gelangten. Ich bin ein Stachel in Hans von Torgaus Fleisch. Er wird versuchen, mich loszuwerden«, sagte sie schließlich.
    Ritter Heinrich nickte. » Unser hochwohlgeborener Kurfürst erwähnte, dass wir die Augen offen halten müssen, und das werden wir tun. Seid Ihr nur unbesorgt.«
    Hedwig bückte sich und befreite ihren Mantel aus Drîbeins Fang. Sanft warf sie den jungen Hund auf den Rücken und kraulte ihm den Bauch. Aus einer Vergangenheit, die in unendlich weiter Ferne zu liegen schien, hörte sie Richards Stimme, die sie dafür tadelte, dass sie nicht strenger mit dem ungezogenen Tier war.
    Seid Ihr nur unbesorgt. Nüchtern stellte sie fest, dass sie seit ihren Kinderjahren bei Richard gar nicht mehr wusste, wie sich das anfühlen würde. Er war der einzige Mensch gewesen, bei dem sie sich geborgen gefühlt hatte. Nun, das stimmte nicht ganz. Für kurze Zeit war es danach Cord gewesen, dem sie trotz aller Reiberei jederzeit ihr Leben anvertraut hätte. Auch diese Zeit war jedoch lange vorbei. Seit seinem Besuch in Pressburg hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
    Nein, sie war nicht unbesorgt. Zwar war das Kind, das in ihr wuchs, noch kaum mehr als ein Gedanke, doch sie fühlte einen ebenso starken Drang, es zu beschützen, wie sie ihn für Juli fühlte.
    Sie richtete sich wieder auf und blickte am Feuer und den Männern vorbei in die Dunkelheit, die sich über ihre Lagerwiese gesenkt hatte. Sie wirkte durch das helle Feuer noch schwärzer, wo dessen flackernder Schein endete. Irgendwann würde Hans von Torgau in dieser Schwärze lauern. Wenn noch nicht in dieser Nacht, dann doch bald. Und sie würde darauf vorbereitet sein. Unter anderem, indem sie sich nicht an das helle Feuer setzen würde, sichtbar für jeden, der in den Schatten wartete.
    Ritter Heinrich beobachtete sie noch immer. Bevor sie sich abwandte, um zu Juli ins Zelt zu gehen, nickte sie ihm zu. » Mein Herr, ich danke Euch für Eure Freundlichkeit. Und doch wäre ich noch dankbarer, stelltet Ihr eine Wache auf.«
    Er antwortete nicht, aber als sie zwischen ihren Decken lag und die Augen schloss, hörte sie ihn mit unwirscher Stimme einen der Männer auf Wache schicken.

2 3
    Die Rei s e nach Frie s a ck
    E inen knappen Monat würde die Reise nach Friesack dauern. Da Hedwig Juli nicht jeden Tag für so viele Stunden im Sattel vor sich haben wollte, ließ sie die Kleine zu deren Begeisterung gleich am zweiten Tag auf Irinas Stute reiten, die sie von Tiuvels Rücken aus am Zügel führte. Auch Drîbein musste lernen, längere Strecken selbst zu laufen und trotz seines Lahmens mit den Pferden Schritt zu halten. Was ihn ebenfalls begeisterte, Juli aber immer wieder in Besorgnis stürzte, bis sich alle daran gewöhnt hatten.
    Ohne Zwischenfälle zogen sie durchs Nürnberger Land, machten Halt in Bayreuth, ließen das Kurfürstentum Sachsen hinter sich und erreichten schließlich am Ende

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