Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Friesack.
Bereits am frühen Vormittag erreichten sie den kurfürstlichen Wohnsitz. Die Wachen öffneten der Frau mit dem Kind vor sich im Sattel das Burgtor, ohne Fragen zu stellen, obgleich sie ihnen unbekannt war. Ebenso zuvorkommend brachte man sie auf ihre Bitte hin in den Saal, welchen Kurfürst Friedrich offenbar soeben verlassen wollte. Er war gestiefelt und gespornt und ließ sich nur von einer Magd die Nesteln seiner Ärmel an den Schultern noch einmal neu binden.
Hedwig merkte ihm an, dass er sie nicht erkannte, als sein Blick auf sie fiel, was ihren Ärger neu anfachte. Wie viel bedeutete es dem hohen Fürsten, dass ein Ritter gestorben war, um seinem ungeschickten Sohn das Leben zu retten? Verschwendete er auch nur einen einzigen Gedanken daran?
Bevor sie ansetzen konnte zu sprechen, kam Kurfürstin Elisabeth zur gegenüberliegenden Tür herein und erkannte sie sofort. Mit einem herzlichen Lächeln breitete sie die Arme aus und kam auf sie zu. » Hedwig von Torgau! Was für eine freudige Überraschung! Was führt dich zu uns?«
So schnell ihr Lächeln erschienen war, erlosch es wieder, und sie ließ ihre Hände sinken. » Ist etwas geschehen? Friedrich? Was ist hier los?«
Der Kurfürst runzelte die Stirn. » Hedwig von Torgau, gewiss. Verzeih. Ich war abgelenkt. In der Tat eine Überraschung. Hast du ein Anliegen, edle Frau?«
» Ihr wisst es nicht.« Mit dieser Feststellung legte sich Hedwigs Zorn, so wie auch ein Teil ihrer Kraft entwich. Sie hatte nicht erwartet, dass die Nachricht von Wilkins Tod die Cadolzburg noch nicht erreicht hatte.
Das kurfürstliche Paar blickte sie nun besorgt an.
Sie musste sich zwingen zu sprechen, obwohl sie kurz zuvor noch so entschlossen gewesen war. » Wilkin ist tot. Er soll morgen in Nürnberg beigesetzt werden. Er hat Euren Albrecht vor dem Ertrinken gerettet und ist selbst dabei untergegangen. Ich dachte, Ihr wüsstet es. Mein Herr, ich brauche nun Eure Unterstützung und hoffe, dass Ihr sie mir nicht versagen werdet. Mir ist bewusst, dass meine Bitte nicht klein ist, aber–«
» Wilkin ist tot?« Es war der Kurfürst, der sprach, während seine Gemahlin nur einen Entsetzenslaut hervorbrachte. » Mein Wilkin? Der treueste, bravste Junge, den je ein Edelmann zum Ritter schlagen durfte! Wie konnte das geschehen? Wie konnte Albrecht…? Mein Gott, sie konnten beide schwimmen wie die Fische!«
» Albrecht trug seine Rüstung«, sagte Hedwig leise. » Sie hatte ihn schon hinabgezogen. Und Wilkin wurde von treibendem Holz getroffen.«
Die Kurfürstin hatte sich in einen der hölzernen Sessel sinken lassen und verbarg schluchzend ihr Gesicht in der Hand. Prompt begann auch Juli, die sich wie meist halb in Hedwigs Rockfalten verbarg, wieder zu weinen.
» Mein Kind, er war wie ein Sohn für uns«, sagte Kurfürst Friedrich.
Es war, als bliesen seine Worte in die Glut von Hedwigs Zorn. » Wie Euer Sohn? Nun, ich weiß, dass er sich Euch stärker verbunden fühlte als mancher Sohn dem Vater und Albrecht mehr als seinen Brüdern. Er war Euch gehorsam und hat stets für Euch getan, was Ihr erwartet habt, auch wenn es nicht seinem eigenen Wohl diente. Nur weil ich glaube, dass Ihr Euch dessen bewusst seid, habe ich den Mut, zu Euch zu kommen. Ich brauche Eure Hilfe gegen den Mann, der sich Wilkins Vater nennt und doch nie an ihm gehandelt hat, wie man es sich von einem Vater wünschte.
Ihr wisst, wie Hans von Torgau zu Wilkin stand. Gestern erschien er in Nürnberg an seiner Totenbahre und heuchelte Trauer. Er verlangt die Vormundschaft über mich und mein ungeborenes Kind. Würde ich mich dem beugen, ich versichere Euch, ich würde es so wenig überleben wie das Kind. Mein Gemahl hat lange unter der Bedrohung durch seine eigene Familie gelitten. Wenn Ihr die geringste Liebe und Dankbarkeit für ihn fühlt, dann sorgt dafür, dass ich unser Kind so aufziehen kann, wie es ihm gebührt. In ehrenvollem Gedenken an seinen Vater und in Sicherheit.«
Hedwigs Tränen gewannen die Oberhand, sie konnte sie nicht länger zurückhalten. Immerhin hatte sie ihre Rede vorgebracht, ohne dass ihre Stimme brach, und es gelang ihr, Haltung zu bewahren.
Der Kurfürst strich unruhig immer wieder mit einer Hand über seine bartlosen Wangen. » Hans von Torgau ist kein angenehmer Geselle und hat mir mit seinem letzten Streich erheblichen Ärger bereitet. Hätte er nicht gleichzeitig dem König Geld angeschafft, wäre er mir nicht so einfach davongekommen. Es ist mir auch bekannt,
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