Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
dass er Wilkin nicht zugetan war. Aber dass er dir nach dem Leben trachtet, kann ich nicht glauben. Immerhin hat er nun alle seine Kinder verloren. Wie dem auch sei, bis ich mir über seine Absichten Klarheit verschafft habe, bieten wir dir Zuflucht. Dann entscheide ich, ob es einen Grund gibt, dich nicht seiner Obhut anzuvertrauen. In meinen Augen wäre es allerdings seine Pflicht, dich aufzunehmen und für seinen Enkel zu sorgen.«
Hedwig richtete sich stolz auf und sah ihm in die Augen. » Das genügt mir nicht. Wenn mein Kind ein Sohn ist, dann ist er nicht nur der rechtmäßige Erbe Hans von Torgaus, sondern auch der Nachkomme eines anderen großen brandenburgischen Geschlechts. Ich will diesen Knaben in Brandenburg aufziehen, und da ich das unter der Vormundschaft seines heimtückischen von Torgauschen Großvaters nicht wagen kann, so will ich es auf dem Land meiner eigenen Vorfahren tun. Darum bitte ich Euch. Wenn es Euch etwas bedeutet, dass Wilkin zweien Eurer Söhne das Leben gerettet hat, dann sorgt dafür, dass ich Friesack wiederbekomme, die Burg und das Land meines Vaters, damit ich es als Erbe für Wilkins Kind bewahren kann und bis dahin ein Auskommen habe.«
Kurfürst Friedrichs erstaunte Miene wäre komisch gewesen, wenn es nicht um eine Sache gegangen wäre, mit der es Hedwig so ernst war. Bevor er sich gefangen hatte, sprach sie weiter.
» Ich bin sicher, dass Ihr nicht das Kind eines Mannes, der von so hohem Wert für Euch war, dafür büßen lassen werdet, dass seine Großväter nicht in bestem Einvernehmen mit Euch standen. Wenn Ihr mir helft und mir das Land meines Vaters als Lehen für meinen Sohn gebt, so werde ich Euch an Wilkins Stelle die Treue halten und mein Kind zur Dankbarkeit Euch und Eurem Geschlecht gegenüber erziehen.«
Der Kurfürst stieß einen Laut aus, der zwischen einem trockenen Lachen und Erschrecken lag. » Nun erkenne ich deinen bockigen Vater in dir. Und deine Frechheit gemahnt mich daran, wie mir die von Quitzows zu schaffen gemacht haben. Es hat gute Gründe, dass ich deinem Onkel nicht alles zurückgegeben habe, was ihm einst gehörte. Ich rechne jederzeit damit, dass die Brandenburger Dickschädel sich wieder unter ihm zusammenrotten und ihre Kleinkriege von Neuem beginnen.«
» Ich gelobe, dass ich mich nicht in solche Fehden verwickeln lassen würde.«
» Du bist ein schwaches Weib und verstehst nichts vom Krieg. Wie lange, glaubst du, könntest du einem Angriff standhalten, wenn dir keine wehrhaften Edelmänner zur Seite stehen? Es gibt bereits vornehme Witwen genug im Land, die auf Burgen sitzen und hoffen, dass sich ein neuer Gemahl findet, bevor die werten Nachbarn sie von ihren Besitzungen vertreiben. Und ganz abgesehen von alldem: Ich erinnere mich nicht genau an euer Friesack, die Angelegenheit liegt zu lange zurück. Aber es ist recht wahrscheinlich, dass ich die Burg damals einem anderen gegeben habe.«
» Ja. Einem Mann, der schlecht wirtschaftet und alles verkommen lässt. Das ist niemand, der Euch dabei unterstützen wird, die Summen aufzubringen, die Ihr immer wieder für des Königs oder gar bald des Kaisers leere Kassen braucht.«
» Ich soll ihn hinauswerfen lassen? Oder willst du das selbst tun? Gewaltig stark scheinst du dich ja zu fühlen. Lächerlich ist das.« Verächtlich wandte er sich von ihr ab und schritt mit hinter dem Rücken ineinandergelegten Händen zur Fensternische, um in den Burghof hinabzublicken.
» Wie kannst du nur, Friedrich!« Aufschluchzend erhob die Kurfürstin sich und drohte mit dem Zeigefinger gegen ihren Gemahl.
In der folgenden Viertelstunde war Hedwig nur noch Zeugin für den Wortschwall, mit dem Kurfürstin Elisabeth den Kurfürsten zu der Einsicht trieb, dass die Erfüllung von Hedwigs Wunsch das Mindeste war, was er Wilkins Witwe schuldig war.
Bereits am späten Nachmittag war sie in Besitz verschiedener kurfürstlich gesiegelter Briefe und Urkunden, die Friedrichs Sohn Johann, den brandenburgischen Markgrafen, anwiesen, ihr die Inbesitznahme von Friesack zu ermöglichen. Außerdem hatte Friedrich ihr Reisegeld gegeben und einen seiner alten Ritter und vier Waffenknechte bestimmt, die sie sicher an ihr Ziel geleiten und ihr für eine gewisse Zeit helfen sollten, ihre neuen Rechte durchzusetzen.
Früh am nächsten Morgen ritten sie alle gemeinsam nach Nürnberg, um an den Trauerfeierlichkeiten um Wilkins Beisetzung teilzunehmen.
Hedwig betrat mit Juli an der Hand zu Beginn der Seelenmesse hinter dem
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