Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
können. Außerdem verwirrte es sie, dass er so nah bei ihr stand. Sie konnte den Ärger und die Hitze spüren, die er ausstrahlte. » Ich bin Euren Brüdern nie begegnet und habe gewiss nicht vor, Euch umzubringen. Mich hat ein Mann zu Euch geschickt, den Ihr nicht kennt. Doch er kannte Euch und wollte Euch etwas vermachen. Ich habe Euch sein Schwert gebracht.«
Sie wandte sich der Pritsche zu, um Richards Schwert aufzuheben, doch als sie sich danach bückte, umfasste Wilkin mit einer schnellen Bewegung ihr Handgelenk. Mit seiner anderen Hand ergriff er selbst den Schwertknauf und zog das Schwert aus der alten, aber gepflegten Lederscheide.
Hedwig wurde wütend. Jeden Monat hatte Richard dieses Schwert geputzt, Gurt und Scheide gefettet. Er hatte es zu seiner Schwertleite erhalten, und sie hatte es seinem Sohn mit Ehrfurcht überreichen wollen. Es hatte ein feierlicher Moment sein sollen. Wenn schon nicht für ihn, dann wenigstens für sie selbst. Sie entwand ihm abermals ihren Arm, diesmal mit einem Ruck, und schlug seine Hand beiseite, um ihren Bogen und die Pfeile an sich zu nehmen. Und wieder fuhr er dazwischen und hielt ihre Hand fest.
Nun sah sie rot. Ihrem Knie auszuweichen gelang ihm noch, aber mit ihrem Ellbogen erwischte sie ihn im Gesicht.
Mit einem mörderischen Aufblitzen seiner Augen ließ er Richards Schwert fallen und packte sie am Halslatz ihrer Gugel. » Dich lege ich übers Knie.«
Wie Cord es ihr gezeigt hatte, zog sie mit einer geschmeidigen Bewegung der rechten Hand einen ihrer beiden Dolche und legte ihn an seine Hoden, während sie mit der Linken sein Wams ergriff und ihn festhielt. Einen Wimpernschlag später fühlte sie eine Dolchspitze in ihrer Seite.
» Also doch meine Brüder?«, fragte er kalt.
Hedwig lockerte ihren Griff nicht, obwohl ihr der Schweiß ausbrach. Ihr Gesicht glühte vor Zorn. » Zur Hölle mit deinen Brüdern. Ich bin gekommen, um dir ein Geschenk von dem liebsten Freund zu bringen, den ich hatte. Aber du verdienst es nicht, du ungehobelter Grobian. Du siehst ihm ähnlich, aber du bist nicht die Hälfte von ihm wert. Und jetzt lass mich los, damit ich meinen Bogen nehmen und gehen kann. Gut, dass Richard dir nie begegnet ist, du…« Viel zu spät biss sie sich auf die Lippen. Sie musste wirklich lernen, den Mund zu halten, wenn sie wütend war.
Anstatt sie loszulassen, beugte er sich ein wenig herab und näherte seinen Mund ihrem Ohr, sodass sie seinen Atem spürte. » Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Vögelchen. Aber wie wäre es, wenn du zuerst dein Messer fallen lässt, bevor wir uns weiter unterhalten? Deine Hand darfst du gern liegen lassen. Ich bin sicher, du weißt gut, wie du es machen musst. Ich hätte nichts dagegen, dein Freund zu sein, solange du mir nicht nach meinem Leben oder meiner Habe trachtest.«
Vor ihrer Zeit mit den Spielleuten hätte Hedwig nicht gewusst, worauf er anspielte. Irina hatte ihr jedoch auf ihre bodenständige Art erklärt, worauf sie bei den Männern gefasst sein musste. Verächtlich stieß sie die Luft aus. » Ich lege keinen Wert auf so einen Freund. Meinen Auftrag habe ich ausgeführt, nun will ich nichts weiter als gehen und dir nie wieder begegnen.«
Zu ihrem Ärger stiegen ihr bei diesen Worten Tränen in die Augen. Sie war so verblüfft gewesen, Richards Züge in denen dieses jungen Mannes zu entdecken. In Wahrheit hätte sie ihn gern viel länger betrachtet. Welch ein Jammer, dass es sich offensichtlich nicht lohnte, Bekanntschaft mit ihm zu schließen.
Er ließ ihre Gugel los und strich sie spielerisch mit der frei gewordenen Hand glatt. » Ich fürchte, ich kann dich nicht einfach gehen lassen. Wer war dieser Richard? Was habe ich mit ihm zu tun?«
Eine Lüge wäre ein leichter Ausweg gewesen. Doch Hedwig hatte Richards sanftes Gesicht vor Augen, wie er sie zur Wahrheit anhielt, weil Unaufrichtigkeit ihm verhasst war. Wilkins Mutter hatte das Fundament für diesen Hass gelegt. Also würde Hedwig sich eher die Zunge abbeißen, als sich in dieser Lage mit einer Lüge zu helfen. » Dir mehr zu sagen, steht mir nicht zu. Lass mich gehen.«
Er legte seine warme, freie Hand auf ihren unbedeckten Nacken. Beinah konnte er mit seinen Fingern ihren Hals umschließen. » Sehen wir es so, mein Vögelchen: Es besteht zwar die Gefahr, dass du mich entmannst, aber wahrscheinlich wirst du tot sein, bevor du es zu Ende bringen kannst. Es ist besser für dich, wenn du mir sagst, was du weißt.«
Hedwig schnaubte. » Man hat
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