Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
niedrigen Tribünen um die Teppiche herum, auf denen die Lehnsleute vor den Markgrafen ziehen würden. Johann saß auf einem erhöhten Podest unter einem großen Baldachin und wartete darauf, dass sie ihm ihre Eide leisteten. Jeder der Anwesenden hatte zuvor alles getan, um die anderen an Pracht möglichst auszustechen. Die Luft schien zu schwirren von Edelsteingefunkel, Silber- und Goldglanz und dem Schimmern, Wogen und Wehen farbenprächtiger erlesener Tuche.
Auch Hedwig fühlte sich unter diesen Umständen nicht frei von Eitelkeit. Sie war froh, dass ihr Onkel darauf bestanden hatte, sie für diesen Anlass ebenfalls mit neuen Gewändern zu versehen. Ihr Kleid war an diesem Tag farblich passend zu seinem Gewand gewählt. Während er kräftiges Rot und Grün trug, passend zum roten Wolf und den grünen Bäumen im Wappen derer von Quitzow, waren die Farben bei ihr zarter gehalten, doch im gleichen Ton. Sogar die ausladende grüne, bestickte Wulsthaube, die sie an gewöhnlichen Tagen als zu unbequem abgelehnt hätte, verlieh ihr nun das Gefühl, aus der sie umgebenden Gesellschaft zumindest nicht durch Ärmlichkeit herauszustechen.
Derselben Ansicht war Cord, der sich auf rätselhafte Weise an ihrer Seite einfand, als hätte er wie ein Vogel über der Menge geschwebt, um sie zu entdecken. » Du kannst es mit den Schönsten aufnehmen«, flüsterte er ihr zu, um gleich darauf nach vorn zu sehen und sich den Anschein zu geben, er stünde nur zufällig in ihrer Nähe.
Sie hatten am Vorabend mit einer kleinen Gruppe ausgewählter Gäste fröhliche gemeinsame Stunden verlebt. Cord hatte sich bestens mit ihrem Onkel unterhalten, und er hatte es verstanden, mit ihr ein Gespräch zu führen, ohne dass jemand daran hätte Anstoß nehmen können. Auch er trug nun ausnahmsweise bessere Kleidung als sonst, war jedoch schon durch seinen geringeren Stand davon befreit, mit den höheren Edlen wetteifern zu müssen. Hedwig wusste, dass er nicht immer glücklich über die Rolle war, die sein Vater ihm durch die Umstände seiner Geburt zugeschrieben hatte, doch zweifellos kostete er es ebenso aus, dass er in manchen Dingen größere Freiheit genoss als der Erbsohn eines Adelsgeschlechts.
Sie hatte Wilkin noch nicht entdeckt, doch sie war sicher, dass er als ältester Sohn Hans von Torgaus und enger Vertrauter des Kurfürsten an diesem Tag in ein Netz von Pflichten eingebunden war, von denen ein prächtiger Aufzug die geringste war.
Als die Huldigungen der Lehnsritter begannen, vergaß Hedwig Cord und all die anderen um sie her. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, wie sich die Männer ihrem Rang nach gruppierten und zu einem Zug aufstellten. Mehrere Herolde waren damit beschäftigt, den Vorgang unauffällig zu unterstützen und regelnd einzugreifen, wo sich Teilnehmer über die Reihenfolge ihres Auftretens nicht ganz im Klaren waren.
Bald hatten alle ihren Platz gefunden, und schon trat die erste Reihe zur Zeremonie des Handganges an und vor den Schatzmeister und Schreiber des neuen Markgrafen Johann, um ihm alte Lehnsurkunden auszuhändigen, die hinfällig wurden. Der Markgraf selbst blieb in seinem Sessel sitzen und blickte huldvoll, während sein Schatzmeister die zukünftigen Vasallen fragte, ob sie Lehnstreue schwören wollten.
Gemeinsam schworen die Befragten auf die Evangelien, von diesem Augenblick an dem durchlauchten Markgrafen Johann treu zu sein und ihm gegen alle und ganz und gar ihren Eid zu halten, in gutem Glauben und ohne Falsch. Anschließend traten sie nacheinander vor den Markgrafen. Dieser umschloss zuerst ihre Hände mit seinen, dann reichte er ihnen einen kunstvoll aus Silber geschmiedeten, belaubten Zweig als Symbol für ihr Lehen und die lange im Voraus ausgehandelten Rechte, die er ihnen bestätigte oder verlieh. Einen Augenblick lang hielten sie diesen Zweig fest, um ihn dann zurückzugeben.
Rechts hinter dem Markgrafen saßen seine Eltern– Kurfürst Friedrich und seine Gemahlin Elisabeth, links seine Geschwister Jung-Friedrich und Albrecht, Elisabeth, Caecilie und Magdalena. Das Bild, das die fürstliche Familie abgab, verlieh der Zeremonie einen noch prunkvolleren Rahmen.
Hedwigs gespannte Aufmerksamkeit hielt an, bis ihr Onkel an der Reihe gewesen war, der gemeinsam mit Kaspar Gans und drei weiteren alten Bekannten vortrat, denen Hedwig bereits früher begegnet war. Kaspar war der erste von ihnen, der den Zweig erhielt, und sie sah sich kurz nach Cord um, weil sie neugierig war,
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