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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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eine Ehe anzutragen.
    » Sieh mich nicht so an, Irina! Du und Onkel Johann, ihr tut, als wolle jeder Mann, der mir nur ein Mal zulächelt, mich heiraten oder meine Tugend antasten. Ich glaube nicht daran«, sagte sie.
    Irina strich ihr liebevoll mit den Fingerspitzen über den Arm. » Ich glaube, dein Onkel kennt die Art der Männer besser als du oder ich, und er weiß nur zu gut, wie ein nettes Lächeln einem Mädchen den Kopf verdrehen kann. Du solltest vorsichtig sein.«
    » Du klingst bald wie Tante Agnes«, warf Hedwig ihr vor.
    Rückwärtsgehend lächelte Irina ihr zu. » Und ich nehme an, auch sie weiß genau, warum eine Jungfer die Männer fürchten sollte. Ich gehe wieder ins Zelt. Kommst du mit?«
    Hedwig schüttelte den Kopf und ließ sie ziehen. Wie unsinnig die Sorge war, dass sie sich verführen lassen würde! Es gab zweifellos mehr Gründe, die Männer zu fürchten, die sie niemals anlächeln würden. Nach ihrer Ankunft auf dem Lagerplatz bei Berlin hatte sie als Erstes ihren Onkel gedrängt herauszufinden, ob Gerhardt von Schwarzburg und Wilkins Brüder anwesend waren. Da sie keine Möglichkeit sah, diese Männer zur Rechenschaft zu ziehen, wollte sie ihnen am liebsten nicht begegnen. Auch deshalb hielt sie sich mit Irina vorwiegend nahe bei ihrem Zelt auf und bewegte sich sonst nur in Begleitung ihres Onkels auf dem weit ausgedehnten Lagerplatz der Huldigungsgäste.
    Obgleich Hedwig sich in großen Menschenmengen nicht wohlfühlte und ihre Furcht vor den Männern, die sie überfallen hatten, allgegenwärtig war, freute sie sich auf die kommenden Tage. Sie war neugierig darauf, den Kurfürsten und seinen Sohn Johann, den zukünftigen Markgrafen von Brandenburg, zu sehen, und sie fieberte den Wettkämpfen des großen Turniers entgegen. Sie hatte auf der Plattenburg den Männern bei ihren Waffenübungen zugesehen, und dank der Erklärungen ihres Onkels genug Sachverstand gewonnen, um beurteilen zu können, ob ein Kämpfer seine Sache gut machte. Auch sie selbst hatte sich mit dem Schwert versuchen dürfen, doch damit hatte ihr Onkel sie im Grunde nur daran erinnern wollen, dass sie mit der schweren Waffe gegen die Körperkraft der Männer nicht bestehen konnte. Stattdessen hatte er sie und auch Irina gelehrt, ihren Umgang mit dem langen Dolch zu verfeinern, um auch Männern beikommen zu können, die mit einem Schwert bewaffnet waren.
    Ihre Tante erfuhr in der Regel von diesen Übungen nichts. Manchmal vermutete Hedwig, dass ihr Onkel auch deshalb so viel Freude an ihren Lehrstunden hatte, weil sie den Wünschen seiner Gattin widersprachen.
    Hedwigs tägliche Beschäftigung mit ihrem Bogen hingegen hatte Johann vor Agnes damit gerechtfertigt, dass auch andere Edelfrauen sich mit dieser Fertigkeit vergnügten und stärkten.
    Tatsächlich sollte es während der Huldigungstage neben dem großen Bogenturnier der Männer ein kleines der Edelfrauen geben. Hedwig war erfreut gewesen, als sie davon hörte, und hatte gehofft, dass sie dort vielleicht Frauen begegnen würde, die ihr ein wenig ähnelten.
    Doch ihr Onkel hatte sie nur mit seinem verbliebenen Auge merkwürdig angesehen und den Kopf geschüttelt. » Ich weiß nicht, ob die eine oder andere von ihnen dir ähnelt, Kätzchen. Aber ich kann dir sagen, dass sie jedenfalls nicht schießen wie du.«
    Umso gespannter war Hedwig nun auf das Ereignis. Sie hatte ihre beiden besten Bögen dabei und einen Satz Pfeile mit schmalen Spitzen, die sich für das Schießen auf Strohscheiben besser eigneten als ihre üblichen scharfen, dreieckigen Jagdspitzen. Sie schonten die Scheiben und ließen sich leichter wieder entfernen.
    Ihre besten Bögen waren nicht mehr jene, die sie aus dem Zootzener Wald mitgebracht hatte. Als diese nach den vielen Jahren des Gebrauchs begonnen hatten, Schwächen zu zeigen, war ihr Onkel mit ihr zwei Tage weit zu einem besonders guten Bogner gereist und hatte ihr zwei neue bauen lassen. Beide waren aus Eibenholz, der eine ganz gerade gewachsen, der andere mit einigen Knoten und Krümmungen, die der Bogner jedoch so kunstvoll eingearbeitet hatte, dass sie den Bogen nicht schwächten, sondern ihn in Hedwigs Augen noch schöner machten. Gekonnt aus den richtigen Lagen von Splint- und Kernholz gewählt, schimmerten die geölten und polierten Bögen in den zwei verschiedenen Honigfarbtönen der Eibe. Die Spitzen waren mit Nocken aus dunklem Rinderhorn versehen, die das weiche Holz vor der scharf einschneidenden Sehne schützten und diese sicher

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