Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
wie er diesen bedeutungsvollen Moment empfinden mochte. Er fing ihren Blick auf und zwinkerte ihr zu, besonders berührt schien er nicht zu sein.
Kurz darauf hatte auch ihr Onkel seinem neuen Landesherrn gehuldigt und entfernte sich mit seinen Genossen zur Seite hin vom Sitz des Markgrafen. Aufatmend winkte sie Cord zu und schlüpfte, gefolgt von Irina, durch die Gruppen von Zuschauern hindurch, um sich ihrem Onkel wieder anzuschließen. Sie hatte nur Augen für ihr Ziel und bemerkte nicht, wer ihr im Weg stand, bevor sie ihn anstieß.
Gerhardt von Schwarzburg drehte sich gereizt zu ihr um, verbeugte sich dann jedoch galant und wich ihr aus. Hedwigs Herz machte einen Satz, und sie beeilte sich weiterzugehen. Hatte er sie erkannt? Unwillkürlich sah sie sich nach ihm um und ertappte ihn dabei, wie er ihr nachstierte. Seine Miene wurde eisig. Spätestens in diesem Moment hatte er sich an sie erinnert, das war ihm anzusehen.
Sie fluchte stumm, so unflätig, wie ihr Onkel es oft tat, und wandte hastig ihren Blick ab. Von Schwarzburg sagte etwas zu seinem Begleiter, so viel sah sie noch. Der Mann trug unter seinem Hut einen Verband, der sein linkes Auge verdeckte, und seine Verletzung schien noch frisch zu sein, denn es schimmerte rot durch die Leinenbinde.
Irina hatte ihren Feind offenbar rechtzeitig bemerkt und einen anderen Weg genommen, sie war nicht mehr hinter ihr. Mit der Furcht im Nacken drängte Hedwig sich nun umso hastiger bis zu ihrem Onkel durch.
Er legte lachend einen Arm um ihre Schultern. » Das wäre überstanden, mein Mädchen. Bis zur Messe ist noch Zeit. Kaspar lädt uns zu einem kleinen Untertrunk, da sagen wir nicht nein, nicht wahr?– Was ist mit dir? Ist dir jemand zu nahe getreten? Du machst ja ein Gesicht…«
Hedwig lehnte sich an ihn und seufzte kopfschüttelnd. » Ich habe gerade Gerhardt von Schwarzburg umgelaufen. Wie konnte ich so blind sein? Nun hat er sich an mich erinnert.«
Ihr Onkel schob sie auf Armeslänge von sich und musterte sie einäugig mit finster zusammengezogenen Brauen. » Was hat er getan? Hat er etwas zu dir gesagt? Bei Gott, ich wünschte, wir hätten etwas gegen ihn in der Hand. Ich würde einen Gerichtskampf fordern. Wo ist er?«
Hedwig wies zu der Stelle, wo von Schwarzburg noch immer stand und sich mit seinen Begleitern unterhielt. » Er hat nichts gesagt. Nur etwas zu dem Mann mit der Augenbinde. Wer ist das, kennst du ihn?«
» Reinhardt von Torgau. Der nächstjüngere Bruder deines Verehrers. Da leistet ein Halunke dem anderen Gesellschaft. Wüsste gern, wer ihm so ins Gesicht geschlagen hat. Der verdiente einen Hochruf.«
Aus der Menge erschien nun Cord mit Irina, die sich an seinem Ellbogen festhielt und die Schultern hochzog, als könne sie sich auf diese Art unsichtbar machen. Cord schob sie sanft auf Hedwig und ihren Onkel zu und wandte sich sogleich von ihnen ab. Er blickte zu von Schwarzburg und Wilkins Bruder hinüber, bis sein Vater, der ebenfalls noch in ihrer Nähe stand, ihn scharf anrief. » Cord! Was stehst du da und gaffst? Hast du keine Kammerdienerpflichten?«
» Leibwache«, stellte Hedwig unwillkürlich richtig, obwohl sie den Verdacht hegte, dass Kaspar Gans sehr wohl darüber im Bilde war, was sein Bastard für den Kurfürsten tat.
Cord drehte sich zwar um, beachtete jedoch weder Kaspars noch ihre Bemerkung. Seine Miene war ernst und besorgt, als er sich eilig gegen sie verbeugte. » Ich muss gehen, verzeiht. Hedwig…« Er sah ihr eindringlich in die Augen. » Nehmt euch in Acht. Von Schwarzburg leistet sich nicht noch einmal den Fehler, eine von euch beiden am Leben zu lassen.«
Johann von Quitzow stieß einen verachtungsvollen Laut aus. » Er soll mir den Gefallen tun und etwas versuchen. Ich wäre dankbar für die Gelegenheit, ihm an die Gurgel zu gehen. Aber mach dir keine Sorgen, Junge. Den Frauen wird nichts geschehen.«
Mit langen Schritten stürzte Cord sich zurück ins Gedränge und war im Nu darin verschwunden.
Hedwig hakte Irina unter und strich ihr tröstend über den Arm. » Ich will meinen Bogen holen, bevor wir zum Essen gehen. Es wird aussehen, als wolle ich später am Wettschießen teilnehmen.«
Irina stöhnte gequält. » Ich dachte, ich würde diese Männer töten können, wenn ich sie wiedersehe, Hedwig. Aber ich habe viel größere Angst vor ihnen, als ich glaubte, und bin nicht mehr sicher, ob ich es kann.«
Hedwigs Onkel drohte ihr mit seinem Zeigefinger. » Was soll das Gerede? Davon will ich nichts
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