Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
an ihrem Platz hielten. Hedwig liebte es, über das glatte, warme Holz der eleganten Waffen zu streichen, die ihr bald so vertraut waren, als wären sie ein Teil von ihr.
Sie ließ zwar nichts auf die alten Bogen kommen, die Richard ihr gebaut hatte, doch für sich wusste sie, dass die neuen sie bei Weitem an Wurfkraft und Schnelligkeit übertrafen, ohne ihr wesentlich mehr Kraft abzuverlangen. Sie waren länger gebaut, jedoch nicht so lang, dass sie auf dem Pferderücken oder in einem Jagdversteck zu unhandlich geworden wären, und sie ließen sich angenehm weich ziehen.
Irina hatte eine Weile ebenfalls fleißig mit dem Bogen geübt, doch nachgelassen, als es nach den raschen Anfangsfortschritten nicht mehr so recht voranging.
Nachdenklich ließ Hedwig ihren Blick zu den großen Anlagen vor den Mauern Berlins schweifen, die der neue Markgraf dort für die unterschiedlichen Wettkämpfe des Turniers hatte vorbereiten lassen. Bevor ihre Neugier auf das Bogenturnier gestillt werden würde, musste sie sich noch gedulden, denn es fand erst nach den Huldigungen des Klerus und der Lehnsritter statt, die für den nächsten Tag angesetzt waren.
8
Huldigungen
D a das Wetter trocken und windstill war und eine große Zahl Zuschauer erwünscht, fanden die Huldigungszeremonien im Freien statt. Nur der anschließende gemeinsame Gottesdienst des neuen Lehnsherren mit seinen Gefolgsleuten sollte in der Berliner Nikolaikirche gehalten werden und sich auf die wichtigsten Teilnehmer beschränken.
Der Brandenburger Klerus huldigte Markgraf Johann zuerst, und zwar auf Knien. Mehr bekam Hedwig von diesem Teil der Feierlichkeit nicht zu sehen, denn sie traf zu spät ein, um einen guten Platz zum Zuschauen zu ergattern. Es hatte ungeheuer lange gedauert, ihrem aufgeregten Onkel alles so recht zu machen, dass sie das Zelt verlassen konnten.
Er war sonst weder ein eitler Mann noch furchtsam, aber die Aussicht, unter den Augen sämtlicher reicher und mächtiger Brandenburger, von denen einige zu seinen ärgsten Feinden gehörten, vortreten und sich präsentieren zu müssen, machten ihn zu beidem.
Bereits im Vorfeld der Reise hatte er keinen Aufwand gescheut, um sich für seinen Auftritt zu wappnen. Die kostbarste Kleidung und die prunkvollste Rüstung waren beschafft worden, die er sich hatte leisten können, ganz zu schweigen von dem Satz silberner Teller, die er seinem neuen Lehnsherrn als Geschenk überreichen wollte. Jedes Stück der Ausstattung war in Leinen und Wolle eingeschlagen gewesen, um auf der fünftägigen Reise nicht zu verschmutzen oder zerkratzt zu werden, und musste noch einmal sorgsam nachgesehen werden, bevor er es anlegte.
Dem Ankleiden vorausgegangen war der für ihn völlig unübliche morgendliche Besuch eines Badezeltes, wo er sich vor dem Bad seinen Zehntagebart hatte abnehmen lassen. Der Bader hatte ihm mit seinem Messer eine kleine Verletzung an einer schwierig zu rasierenden Stelle zwischen seinen Halsfalten zugefügt, die trotz ihrer Winzigkeit immer wieder blutete und ihn damit annähernd zur Raserei trieb, weil er keine Blutflecken auf seiner teuren Kleidung zulassen wollte. Und als nach viel Tupfen, Zupfen und Beschwichtigen von Hedwigs Seite endlich ein brandenburgischer Ritter in allem Prunk vor ihr stand, fehlte auf einmal die Lehnsurkunde, die so gut und geheim verwahrt worden war, dass niemandem mehr einfiel, wo. Als Irina sie schließlich zusammengerollt in einer alten Schwertscheide fand, hatte die Huldigung längst begonnen.
Trotz aller Aufregung, die ihr Onkel gezeigt hatte, solange sie noch unter sich gewesen waren, schritt er so würdevoll und erhaben mit ihnen zum Huldigungsort, dass er wirkte, als hätte er nie vorgehabt, pünktlich dort zu erscheinen.
Zu Hedwigs Erleichterung war das Gedränge so gewaltig, dass es nicht sonderlich auffiel, wann sie ankamen. Und ihr Onkel verstand es, sich allein unauffällig weiter nach vorn zu arbeiten, wo Kaspar Gans zu Putlitz ihm einen Platz an seiner Seite schuf. Hedwig hingegen blieb mit Irina in den äußeren Kreisen der vornehmen Zuschauer zurück, atmete auf und musste ein wenig lachen, weil sie auf einmal feststellte, wie sehr sie ihren Onkel gerade für seine Schwächen liebte und wie leicht sie seine Schwächen in sich selbst wiederfand. Furcht machte sie ebenso wütend und missgelaunt wie ihn. Und seine Angst vor diesem Auftritt konnte sie ihm nicht verdenken. Jeder, der in Brandenburg Rang und Namen hatte, stand an diesem Tag auf den
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