Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
mehr hören. Es ist nicht Eure Sache, mit diesen Männern etwas auszutragen. Ihr seid nicht mehr allein auf der Welt. Wenn sie sich herauswagen aus ihrer Deckung, dann warte ich schon auf sie. Ich freue mich darauf. Was, Kaspar? Wäre dir nicht auch danach, einen von Schwarzburg zusammenzuhauen?«
Kaspar Gans hatte sich neugierig zu ihnen gesellt, zuckte nun allerdings mit den Schultern. » Das käme doch sehr darauf an, mein alter Freund. Die Zeiten, in denen ich so etwas bedenkenlos getan hätte, sind vorüber. Unser Herr Kurfürst reagiert dieser Tage gereizt auf Zwischenfälle, die nach Fehde riechen, und sein Sohn wird es wohl ähnlich betrachten. Man überlegt es sich lieber zweimal, bevor man die Hand gegen einen brandenburgischen Ritter erhebt.«
» Würdest du etwa eher die Frauen zu Schaden kommen lassen?«, fragte Johann.
» Was denkst du von mir? Ich will nur sagen, dass es derzeit klüger ist, Händel zu vermeiden. Die Frauen sollen sich rarmachen und niemanden anstacheln, dann wird es schon friedlich bleiben.«
Kaspars Worte machten Hedwig wütend, doch sie wagte nicht zu widersprechen. Sowenig sie einsah, dass Irina und sie sich verstecken sollten, obwohl sie doch diejenigen waren, denen Unrecht geschehen war, so klar war ihr auch, dass Kaspars Worte etwas Wahres enthielten. Hätte sie Gerhardt von Schwarzburg nicht von ihrer ersten Begegnung an durch ihr Verhalten und ihr Äußeres gereizt, hätte er die Jagd auf Adam und Irina vielleicht früher aufgegeben und Adam nicht ermordet. Außerdem hätte der Mann sich heute gar nicht mehr an sie erinnert, und sie hätte ihn nicht fürchten müssen.
Wilkin hatte die Ehre, während der Huldigungszeremonie wenige Schritte hinter dem Kurfürsten und seiner Frau neben den Stühlen von Jung-Friedrich und seinem ein Jahr jüngeren Bruder Albrecht stehen zu dürfen, um für die Sicherheit der Familie zu sorgen. So sah er das hochmütige, ovale Gesicht seines Vaters von vorn, als dieser seinen Eid sprach. Als unbeachteter Beobachter hatte er reichlich Zeit, eine Bestandsaufnahme vom Zustand seines alten Herrn zu machen. Er hatte sich über die vergangenen Jahre einen vorstehenden Wanst zugelegt, von dem Wilkin sich nicht vorstellen konnte, dass er noch unter eine Rüstung passte, es sei denn, der Schmied hätte ihr die tief heruntergezogene spitzbäuchige Form verpasst, die man gelegentlich sah und die so lächerlich plump wirkte.
An diesem Tag trug sein Vater keine Rüstung. Die kostbaren Tuche einer dunkelblauen Tunika und des Waffenrocks in den blau-weiß-goldgelben Wappenfarben derer von Torgau bedeckten ihn– beides nagelneu, man erkannte es an den leuchtenden Farben, die noch wenig Licht und Wasser gesehen hatten. Wilkin war heilfroh, dass der Kurfürst ihm zu diesem Anlass einen neuen Waffenrock im kurfürstlichen Schwarz und Silber spendiert hatte, denn für einen neuen in den eigenen Farben hätte er eine Samtdecke versetzen müssen, die Gräfin Elisabeth ihm im Herbst geschenkt hatte. Er hätte seinen Vater um Geld bitten können, doch er hatte zu oft aushalten müssen, wie seine jüngeren Brüder volle Beutel zugesteckt bekamen, während er leer ausging. Sein Stolz ließ nicht mehr zu, bei ihm zu betteln, und hätte ihm das Geld auch hundertmal zugestanden.
Pelzbesätze schmückten die Tunika seines Vaters und seine turbanartige Kopfbedeckung. Auch das gute, feste Tuch seiner Ausstattung schien stärker zu wärmen, als das sonnige Spätsommerwetter es erforderte, denn ihm glänzten Schweißtropfen im Gesicht, wie er dort in einer Reihe mit vier anderen der besseren Lehnsritter vor Johann von Brandenburgs Schatzmeister stand.
Unwillkürlich zog Wilkin seinen Bauch ein, obwohl er es nicht nötig hatte. Eines Tages würde er selbst vor einem Markgrafen oder Kurfürsten stehen und ihm als Vasall huldigen. Gesetzt den Fall, dass er den Tod seines Vaters noch erlebte. Würde er dem Alten dann ähnlicher sehen als jetzt? Er hoffte nicht. Sein jüngster Bruder Ludwig dagegen würde vermutlich seines Vaters Ebenbild werden.
Sein Vater gab den Silberzweig zurück und trat ab. Reihe für Reihe traten mehr oder weniger mächtige Männer vor, und die Zeit begann sich zu dehnen. Als Wilkin Johann von Quitzow entdeckte, schweiften seine Gedanken zu Hedwig ab. Sein Herz schlug dabei schneller. So unangebracht es war, fühlte er sich ein wenig verliebt in sie. Sie war reizend errötet, als er sie angesprochen hatte, und sie wies auf einmal viele Eigenschaften
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