Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
regelrechte Eroberungsfeldzüge. Vor allem gegen die ihnen feindlich gesonnenen Deutschen ließen sie dabei Grausamkeit und Zerstörungswut walten.
Markgraf Johann erinnerte an die Bedeutung der ihm kurz zuvor geschworenen Lehnstreue und rief alle anwesenden waffenfähigen Männer auf, sich mit größtmöglicher Kraft dem Kampf gegen die dreisten, vom Bösen selbst beschützten Ketzer zu widmen.
Cord musste nicht lange darüber nachdenken, was er tun würde. Wenn der Kurfürst und dessen Sohn willens waren, ihn ziehen zu lassen, wollte er zu denen gehören, die Prokop und seine Hussiten zurückschlugen. Umso dringender, als es ihm nun nicht mehr nur um sein Leben ging, sondern auch um die Sicherheit der Familie, die er gründen wollte.
Es war Wilkin ein Rätsel, wie es sein konnte, dass eine Kleinigkeit wie der Händedruck, ein Blick und die richtigen Worte einer Frau das Antlitz der Welt derart verändern konnten.
Am Tag nach der eiligen Hinrichtung seines Bruders erfuhren die Anwesenden nach und nach, was sich abgespielt hatte. Er erkannte die Eingeweihten daran, dass sie auf einmal vorsichtig Abstand von ihm hielten, abwartend, wie die Sache sein Verhältnis zum kurfürstlichen Haus beeinflussen würde. Die Freunde seines Vaters schnitten ihn oder warfen ihm verachtungsvolle Blicke zu. Er konnte sich vorstellen, wohin sie ihn wünschten. Seinem Vater selbst war er seit dem Ereignis noch nicht begegnet, auch seinem Bruder Ludwig nicht. Die Situation hätte ihn maßlos bedrücken sollen. Doch um sich besser zu fühlen, musste er nur an Hedwig denken, wie sie am Abend nach der Jagd in ihrem schönen Gewand vor ihm gestanden, errötend zu Boden gesehen und ihm anmutig die Hand zum Abschied gereicht hatte. Scheu und zerbrechlich hatte sie gewirkt, so wie sie in ihrem Inneren in Wahrheit sein musste.
Es war an diesem Tag nicht nur sein Stolz, der es ihm leicht machte, sich aufrecht zu halten, sondern auch die Vorstellung, dass sie ihm zusah.
Noch immer hatte er seinen Platz nah beim Kurfürsten inne, und von hier aus wurde er Zeuge, wie Cord seinen Ritterschlag erhielt. Es hatte nie jemanden gegeben, für den er sich über diese Ehre mehr gefreut hätte. Auch dieses Ereignis trug dazu bei, ihn seine Last weniger spüren zu lassen.
Im Anschluss an Johanns Rede bat der Kurfürst Wilkin schließlich zu dem Gespräch unter vier Augen, das er längst erwartet hatte. Zu seinem Erstaunen wollte Friedrich jedoch nicht einmal der Form halber, dass er sich erneut für seinen Bruder und seine Familie entschuldigte. Energisch winkte er ab. » Wir haben dafür jetzt keine Zeit. Du hast dich wie üblich gut gehalten. Dennoch habe ich beschlossen, dich vorerst aus meinem Gefolge zu entlassen. Solange die Leute dich an meiner Seite sehen, wird die Unruhe anhalten. Die Partei deines Vaters ist empört, und meine Getreuen können nicht anders, als dir zu misstrauen.«
Bevor die Kälte sich in Wilkin niederlassen konnte, die er bei diesen Worten fühlte, fuhr der Kurfürst bereits fort und schilderte ihm die Pläne, die er mit ihm hatte.
Seine Ahnung, dass ihm eine gewaltige Herausforderung bevorstand, bestätigte sich. Nicht alles, was der Kurfürst von ihm erwartete, war ihm angenehm, doch da die Heirat mit Hedwig von Quitzow dazugehörte, war er zufrieden. Diese Wendung schien ihm ein Zeichen dafür zu sein, dass sein Schicksal von nun an unter einem guten Stern stand.
» Du wirst Johann von Quitzows Nichte heiraten, damit die verdammten alten Brandenburger nicht glauben, der Verrat deines Bruders könnte das Zeichen für einen neuen Aufruhr gewesen sein. Eure Heirat wird zeigen, dass das zukünftige Haus von Torgau und die von mir gezähmten von Quitzow mir unverändert treu verbunden sind.«
Der Auftrag, den Wilkin gleich nach seiner Hochzeit ausführen sollte, bezeugte Friedrichs ungebrochenes Vertrauen zu ihm besser, als alle Worte es gekonnt hätten.
Gemeinsam mit Cord sollte er zuerst Jung-Friedrich nach Krakau zurückgeleiten, danach allein von dort, das kriegszerrüttete Böhmen in weitem Bogen umgehend, nach Ofen in Ungarn weiterreisen, wo König Sigismund sich aufhielt. Der Kurfürst hatte wieder einmal sein Bestes getan und unter anderem bei den brandenburgischen Edlen eine beträchtliche Geldsumme zusammengebracht, die dem stets bis über beide Ohren verschuldeten Sigismund überbracht werden musste. Offiziell würde Friedrich einen Geldboten von Regensburg die Donau hinab nach Ofen schicken, wenn er mit seinem
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