"Die Bombe is' eh im Koffer"
Beispiel der Edelcognac, der mit schöner Ersparnis aus dem Duty-free-Shop kam, aber von der Menge her nicht durch die Flüssigkeitskontrolle durfte. Derzeit ist das wieder erlaubt, weil Duty-free-Ware als vorkontrolliert gilt. Das kann sich aber stündlich ändern. Deshalb nehmen wir hier ein kleines Symbolprodukt, harmlos und teuer, sagen wir: acht Gläser Nutella aus flüssigem Gold. Damit kommen Sie zur Handgepäckkontrolle.
Viele Unerfahrene denken, hier wäre Bestechung komplett unmöglich. Zu viele Leute, alles Zeugen, aber das ist Unsinn. Wir sind alle beschäftigt, hoch konzentriert, da weiß keiner, was der Kollege macht. Und Sie müssen sich ja auch nicht auf alle konzentrieren, sondern nur auf den Richtigen. Hmmmm, wer könnte das jetzt sein…? Der Einweiser?
Richtig: Der Einweiser kann’s nicht sein. Soll man dem einen Zwanziger zustecken und murmeln: » Sagen Sie mal Ihren Kollegen Bescheid, ich hab in der Tasche acht Gläser goldenes Nutella, die sollen mich durchlassen!«? Und der Einweiser tuschelt dann alles im Stille-Post-Prinzip weiter: » Psst, psst, gleich kommt goldenes Nutella, weitersagen, das geht okay, Passagier hat bezahlt«?
Viel zu aufwendig. Viel zu viele Mitwisser. Der Einweiser scheidet aus. Wer kommt dann? Der Monitorer.
Der Monitorer kann’s aber auch nicht sein. Wie wollen Sie sich mit dem verständigen? Wollen Sie sich über den Durchleuchter beugen und schreien: » Hey, das mit dem goldenen Nutella, das geht schon klar, und diesen Schein hier stecken Sie in Ihre Kaffeekasse!« Nein, Unsinn.
Der Kollege an der Handsonde? Vollkommen ausgeschlossen. Wenn der in Ihren ausgebeulten Taschen goldenes Nutella findet, dann pfeift es und er muss nachfragen, was das ist. Dann haben Sie vor aller Ohren die schönste Diskussion am Hals. Und wenn alle dann zu Ihnen hinsehen, stecken Sie ihm einen Schein zu und sagen » Stimmt so!«? Nein, nein, das geht auch nicht. Wer bleibt? Der Mann am Nachschautisch?
Na, geht doch. Den müssen Sie jetzt einschätzen. Wenn’s so ein hibbeliger, ein übernervöser und superkorrekter ist, der selbst schon total panisch wirkt, dann vergessen Sie’s. Wenn er verschlafen oder langsam aussieht, auch. Sie brauchen einen, der ruhig ist, selbstbewusst, nicht überdreht, der eine gewisse Mindestreaktionsgeschwindigkeit ausstrahlt, der den Job schon lang genug macht, so dass ihm nichts Menschliches fremd ist.
Der öffnet also Ihre Tasche.
Und jetzt ist Ihr Moment.
Jetzt müssen Sie cool bleiben.
Und Sie sagen:
Nichts.
Bei Profis wird da kein Wort gewechselt. Die beugen sich vielleicht kurz vor, stützen sich auf dem Tisch auf und lächeln freundlich. Freundlich, nicht überheblich, nicht so, als wüssten sie, dass sie vermutlich weit mehr verdienen als der Kollege hinter dem Schalter. Wenn man hier mit der Graf-Koks-Attitüde auftreten will, nach dem Motto » Hey, ich kann mir alles kaufen!«, dann muss man für die Demütigung schon extra zahlen– sonst riskiert man, dass der Kollege sich denkt: » Du nicht, mein Lieber, du nicht!« Aber die, die es charmant und lässig machen, die heben dann eine Hand, während sie sich aufstützen, so dass man den Geldschein darunter sieht. Dann macht der Kollege die Tasche wieder zu, und so zügig, wie der Profi die Tasche wegnimmt, ist der Geldschein verschwunden. Das merkt kein Mensch, wenn man es richtig macht. Und schlimmstenfalls sagt er: » Das goldene Nutella muss aber hierbleiben. Übrigens haben Sie da Geld liegen gelassen.« Was aber so gut wie nicht vorkommt, wenn Sie es richtig anstellen.
Wenn Sie sich blöd anstellen, geht allerdings nichts. Die Nerven zum Bestechen müssen Sie mitbringen. Wenn Sie zu den Menschen gehören, die schon beim Schwarzfahren in der U-Bahn zu schwitzen anfangen, lassen Sie’s besser. Fangen Sie nicht unter der Torsonde an, nach Ihrem Geldbeutel zu kramen. Kommen Sie um Gottes willen nicht mit Münzen, wissen Sie, wie laut so was klimpert? Halten Sie den Schein bereit, und wenn Sie jetzt fragen, wie Sie an den Schein kommen sollen, weil der doch im Röntgengerät ist, dann lassen Sie’s auch besser bleiben. Den Schein haben Sie natürlich schon vorher rausgeholt, nein, nicht in der Warteschlange, noch vorherer, im Auto oder im Taxi oder zu Hause.
Fragen Sie nicht blöd nach: » Ist das dann okay so?«
Schreien Sie auch nicht herum: » Oooh, wie schön, dass alles in Ordnung ist, Herr Wachtmeister, ich gehe dann jetzt mal mit meiner Tasche zum Flugzeug. Lalala!«
Und
Weitere Kostenlose Bücher