"Die Bombe is' eh im Koffer"
finanzielle Lage bei uns aussieht.
Wenn bei uns überraschend große Geldbeträge gefunden werden, haben wir Anweisung, sofort die Kontrollstelle zu schließen und die nächsten Passagiere an die anderen Stellen zu verweisen. Eines Tages waren wir da zugange, als Else, die an der Einweiserposition arbeitete, auf einmal abrupt das Lining vorzieht, diese Stoffbänder aus den Blechsäulen, die man beliebig aufstellen kann. Sie bat hektisch die Passagiere an den Nachbarzugang, rief den Einsatzleiter, der sofort dazukam, und präsentierte ihm aufgeregt ihren großen Geldbetrag.
» Ich habe zehn Euro gefunden.«
Zu hören war ein vielstimmiges Aufstöhnen, der Einsatzleiter hielt sich zurück.
» Sehr schön«, sagte er, nahm ihr den Schein aus der Hand und schob ihn für alle gut sichtbar grinsend in seine Hosentasche:
» Ich werde Sie in meinem Bericht lobend erwähnen.«
Dann drehte er sich um und ging.
Ich gebe zu, Else war doof wie ein Holzpellet. Aber man kann es auch so sehen: Wie wenig muss man verdienen, dass man zehn Euro für einen großen Geldbetrag hält? Und wie leicht muss so jemand in Versuchung zu führen sein? Also vergisst Else das nächste Mal vielleicht, den Zehneuroschein abzugeben. Und vielleicht hat sie den ja auch gar nicht zufällig gefunden.
Weil ihn jemand extra für Else da hingelegt hat.
Weil der Jemand sich an fünf Fingern einer Hand abzählen kann, dass das hier ganz gut funktionieren könnte. Weil alles da ist, was man zur Bestechung braucht.
Geringes Gehalt.
Ständige Versuchung.
Alles voller Leute, die der Versuchung nachgeben, so dass sich selbst der Anständigste spätestens nach einem Vierteljahr vorkommt wie der letzte Idiot.
Und als einziges Risiko die Aussicht, einen erbärmlich bezahlten Job zu verlieren.
Was?
Also langsam werden Sie mir richtig unheimlich.
Wieso man die Leute nicht einfach besser bezahlt?
Was ist denn das für eine Frage?
Sind Sie am Ende einer von der Gewerkschaft?
Wenn Sie die Auftraggeber fragen, die FraSec meinetwegen, die Fraport-Tochter, die die Sicherheitsleute zur Verfügung stellt, dann werden die natürlich sagen, dass es nicht anders geht. Sonst explodieren die Kosten, werden sie sagen. Man kann die Passagiere ja nicht endlos für die Sicherheit zahlen lassen, werden sie sagen. Na gut, ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler, ich bin kein Manager, ich bin kein Personaler, aber ich kann ein bisschen zählen und multiplizieren. Mehr als 50 Millionen Passagiere fertigt der Frankfurter Flughafen in jedem Jahr ab. Jeder dieser Passagiere zahlt von seinen Fluggebühren etwa sechs Euro für die Sicherheit. Die Airlines sammeln das Geld über den Ticketverkauf ein und geben es an den Flughafen weiter, die Airlines stecken davon nichts ein. Das macht 300 Millionen Euro im Jahr, die für die Sicherheit zur Verfügung stehen. Und wo bleibt dieses Geld?
Am Frankfurter Flughafen arbeiten 1500 Luftsicherheitsassistenten, die bestenfalls 2000 Euro brutto im Monat verdienen. Macht mit Sozialabgaben und allem Drum und Dran vielleicht 30 000, 35 000 Euro Kosten für den Arbeitgeber pro Nase im Jahr. Multipliziert mit 1500 sind das allenfalls 45 bis 50 Millionen Euro Personalkosten, da sind dann auch die berauschenden 100 Euro mit drin, die die Einsatzleiter monatlich zusätzlich bekommen. Man muss kein Alan Greenspan sein, um festzustellen, dass hier bei 300 Millionen Euro Einnahmen 250 Millionen Euro übrig bleiben. Da fließt dann ein bisschen was in die Schulung, in die Geräte, in die Räume, keine Ahnung, ob sich der Flughafen noch an den Kosten der Polizei beteiligen muss, aber selbst wenn das so wäre, kann ich mir nicht vorstellen, dass da weniger übrig bleibt als: viel. Ich glaube zwar nicht, dass jemand das Geld einfach so nach Hause trägt, das ist bei Gebühren meines Wissens nicht erlaubt. Aber er wird das Geld so ausgeben, dass an den richtigen Stellen das Richtige hängen bleibt. Und das ist definitiv nicht bei den Leuten, die das Ganze kontrollieren. Und deshalb läuft ja auch alles so, wie es läuft.
Also – das freut mich jetzt wirklich.
Ich dachte schon, Sie fragen nie mehr.
Schön, dass Sie’s doch noch getan haben.
Obwohl es verboten ist.
Aber menschlich.
Dann verrat ich’s Ihnen.
Also: Bestechen erfordert Mitdenken. Ein geladenes M-16-Sturmgewehr kriegt kein Mensch der Welt durch die Handgepäckkontrolle. Was Sie durchschummeln wollen, ist also verboten, aber harmlos und teuer. Noch vor einiger Zeit war das zum
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