Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
stand schließlich von vornherein fest. Als Cesare kurz vor Weihnachten in Chinon eintraf, war der König somit in bester Feierlaune und zeigte sich seinem Gast gegenüber äußerst leutselig. Wie viel diese Freundlichkeit wert war, musste sich allerdings noch zeigen, immerhin hatte der Papst die Forderung der Gegenseite bereits erfüllt. Ludwig XII. konnte sich der eingegangenen Verpflichtungen zu Gegenleistungen zwar kaum entledigen, doch sehr wohl weiterhin auf Zeit spielen und die Konditionen für die Borgia herabdrücken. Das galt vor allem für Cesares Verheiratung. Dieser hoffte, durch die Vermittlung des französischen Königs die Hand Carlottas von Aragón zu erlangen, der legitimen Tochter König Federicos von Neapel.
Bei dieser Brautwerbung musste Cesare jedoch eine Abfuhr von schneidender Schärfe hinnehmen: Um nichts in der Welt werde er seine geliebte Tochter an einen Bastard des Papstes verkaufen, so der indignierte Monarch. Er sprach aus, was auch die französischen Höflinge gedacht haben dürften, aber aus politischer Opportunität nicht sagen durften. Dabei machte Cesare in Chinon keineswegs eine schlechte Figur. Er brillierte zu Pferde und mit dem Degen, trat selbstbewusst auf und erwies sich im Gespräch als schlagfertig. Als unpassend vermerkt wurde jedoch sein Jähzorn. Als sich der Eheschließung mit Carlotta von Aragón erste Hindernisse entgegenstellten, drohte er in einer impulsiven Aufwallung mit seiner sofortigen Abreise. Ein echter Aristokrat musste mehr Selbstbeherrschung an den Tag legen.
Doch diese Scharte ließ sich in der Folgezeit auswetzen. Im Frühjahr 1499 zeichnete sich endlich eine andere akzeptable Heiratsverbindung ab. Die vom König Auserwählte war Charlotte d’Albret, die Tochter des Königs von Navarra. Dessen Herrschaftsgebiet am Fuß der Pyrenäen war zwar klein und von Frankreich abhängig, doch war die Familie vornehm, die Braut schön und die Mitgift ansehnlich. Zudem steuerte der französische König selbst eine hohe Summe bei. Darüber hinaus erhielt der Bräutigam den Titel eines Herzogs von Valentinois und das dazugehörige Lehen in der Nordprovence. Um den adelsstolzen D’Albret die Ehe mit einem Parvenü wie Cesare zu versüßen, versprach ihnen Alexander VI. einen Kardinalshut für einen Bruder der Braut.
Ende Mai 1499 brachte ein staubbedeckter Eilbote die freudige Nachricht nach Rom: Die Ehe war nicht nur unter Dach und Fach, sondern auch bereits vollzogen – und wie! Nicht weniger als acht Mal habe Cesare in der Hochzeitsnacht seine Braut beglückt. Der Stier im Wappen verpflichtete eben! Diese sexuellen Heldentaten behandelte der Papst als eine öffentliche Angelegenheit allerersten Ranges: Er verlas vor den teils amüsierten, teils indignierten Kardinälen sogar einen Brief, in dem Charlotte d’Albret ihrer zärtlichen Bewunderung für ihren starken Gatten beredten Ausdruck verlieh. Alexander VI. wusste warum: Einer späteren Auflösung der Ehe durch einen feindlich gesonnenen Nachfolger sollte damit von vornherein entgegengearbeitet werden. Außerdem musste das Image der Familie weiter gepflegt werden.
Das Wappen der Borgia prangt im Strahlenkranz an der Decke der Sala dei Misteri im Vatikan: Die Geschichte der Kirche erlebt mit dem Aufstieg Alexanders VI. und der Seinen zur Macht ihre Erfüllung, so lautet die Botschaft der darunter gemalten Fresken.
Mit Cesares Sieg in Chinon war die Niederlage der Sforza in Rom besiegelt. Von dem Nervenkrieg, der sich Ende 1498 und Anfang 1499 in den Gemächern des Vatikans zwischen dem Papst und Ascanio Sforza abspielte, berichtet der gut informierte und tief blickende venezianische Botschafter Girolamo Donato in seinen Depeschen an den Senat der Republik. Für den einstigen «Überpapst» und seinen Bruder, den Herzog von Mailand, hing Sein oder Nichtsein davon ab, dass sich die Verhandlungen zwischen den Borgia und Ludwig XII. zerschlugen. Wurden sich beide Seiten einig, bedeutete das, dass der Papst den Franzosen sein Plazet zur Eroberung Mailands gab. Schlimmer noch für die Sforza: Parallel zur Eheschließung des Papstssohns wurde über eine Dreierallianz Frankreichs mit Venedig und dem Papst verhandelt. Deren einziger erkennbarer Zweck bestand darin, dem französischen König freie Hand bei der Eroberung des Sforza-Territoriums zu verschaffen. Kamen beide Bündnisse nicht zustande, durften die Sforza hingegen darauf hoffen, sich in ihren Machtpositionen zu behaupten.
Donatos nahezu tägliche
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