Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Berichte ließen sich als ein Zweipersonen-Stück auf die Bühne bringen, mit den dazugehörigen Höhen und Tiefen für die beiden Akteure. Immer wenn die Nachrichten vom französischen Hof Fortschritte der Verhandlungen verkündeten, hatte der Papst Oberwasser. Stockten diese hingegen, schöpfte der Kardinal neue Hoffnung. Und da so viel auf dem Spiel stand, schreckten beide nicht davor zurück, Gerüchte in die Welt zu setzen, die ihr Gegenüber zusätzlich unter Druck setzen sollten. So behauptete Ascanio Maria Sforza, dass Kaiser Maximilian mit einer starken Heeresmacht bereit stehe, um seinen Schwager in Mailand zu unterstützen. Doch dieser vermeintliche Trumpf stach nicht; auf den Habsburger war, wie alle wussten, kein Verlass.
Bedrohlicher für den Papst war die spanische Karte, die Sforza im November und Dezember 1498 ausspielte. Die spanischen Majestäten hatten ebenso wie der König von Portugal Botschafter nach Rom gesandt, die Alexander VI. strenger denn je ins Gewissen reden sollten. Ihre Beschwerden waren zwar die üblichen – exzessiver Nepotismus, Käuflichkeit geistlicher Würden sowie der Anstoß erregende Lebenswandel des Pontifex maximus –, doch wurden sie mit immer größerem Nachdruck vorgetragen. Planten die katholischen Könige gar ein Konzil zur Absetzung dieses unwürdigen Papstes? Sforza behauptete es und bot scheinheilig Mailänder Hilfe gegen solche Umtriebe an. Da Cesares Aktien in Frankreich um dieselbe Zeit zu sinken schienen, verlor Alexander VI. gegenüber den Botschaftern mehrfach die Fassung: Mochte ihn Gott auch durch die Ermordung seines Sohnes Giovanni gestraft und gemahnt haben, so seien Isabella und Ferdinand durch den Tod ihres einzigen Sohnes noch viel härter gezüchtigt worden. Das sei die Strafe für die dauernde Einschränkung kirchlicher Rechte. Als die Botschafter von der Iberischen Halbinsel im Januar 1499 verlangten, ihre Anklagen im Konsistorium vorbringen zu dürfen, fiel der Borgia-Papst vollends aus der Rolle: Eher werde er die Gesandten im Tiber ertränken lassen! Zudem habe die Königin kein Recht, ihm moralische Vorhaltungen zu machen, ihr unsittlicher Lebenswandel sei schließlich allgemein bekannt. Das waren unkluge Worte, zumindest solange die französische Allianz nicht unter Dach und Fach war.
Nach der glücklichen Verheiratung Cesares und dem Abschluss der Allianz mit Frankreich im Mai 1499 hatten die Spiegelfechtereien immer noch kein Ende. Alexander VI. konnte das Katz-und-Maus-Spiel mit den Sforza offensichtlich auch jetzt nicht lassen. Obwohl er vor Zeugen seinen Willen bekundet hatte, dieses Haus mit Stumpf und Stiel zu vernichten, schürte er weiterhin letzte verzweifelte Hoffnungen von Kardinal und Herzog. Daraufhin ging Ascanio Maria Sforza in die Offensive und klagte den Papst vor den Kardinälen an, zum Kreuzzug gegen die Türken bestimmte Mittel für Zwecke der Familie Borgia zu missbrauchen. Das war jedoch kein kluger Schachzug. Sein Bruder Ludovico hatte sich – wie umgehend bekannt wurde – bei seiner verzweifelten Suche nach Hilfe auch an Sultan Bajasid gewandt und stand damit als Verräter an der Christenheit da.
Mitte Juli 1499 zog der Kardinal von Rom nach Mailand, um zusammen mit seinem Bruder die Verteidigung gegen den französischen Angriff zu organisieren. Obwohl türkische Kontingente ins Friaul einfielen, um Venedig zu schwächen, erwies sich die Armee Ludwigs XII. rasch als übermächtig und zog weitgehend kampflos in Mailand ein. Am 5. September 1499 leisteten die Einwohner dem französischen Monarchen den Treueid. Die Sforza-Brüder hatten sich in letzter Minute in Sicherheit bringen können. Nachdem die Besatzer durch Ausplünderung der Stadt und erhöhte Steuerforderungen ihren Kredit verspielt hatten, gelang es den Sforza im folgenden Jahr zwar, ihre alte Hauptstadt zurückzuerobern, doch ließ ihr endgültiger Sturz nicht lange auf sich warten. Schon im April 1500 wurden der Herzog und der Kardinal von französischen Truppen vernichtend geschlagen und in Frankreich gefangen gesetzt, wo Ludovico Sforza 1508 starb.
Was die Sforza verloren, gewannen die Borgia, zumindest in Rom. Im Herbst 1499 begann eine Enteignung der Sforza zugunsten der päpstlichen Verwandtschaft und dehnte sich rasch auf missliebige Baronalfamilien aus. Diesmal war Lucrezia Borgia die Hauptprofiteurin. Der Lieblingstochter des Papstes wurde nicht nur das geostrategisch wichtige Herzogtum Nepi im Nordosten Roms übertragen, das zuvor
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