Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
brauchte: eine Dispens für den königlichen Bittsteller gegen Truppenhilfe, einen wohlklingenden Adelstitel und eine vornehme Braut für den Sohn des Papstes. Auf diesen Deal lief es hinaus. Die Gründung eines Fürstentums machte aus der Sicht Alexanders VI. nur Sinn, wenn sie mit einer illustren Eheschließung verknüpft wurde. Der allerchristlichste König sollte für eine vornehme Heiratskandidatin sorgen, das war für den Papst ein unverzichtbarer Bestandteil des auszuhandelnden Übereinkommens. Die Frage war, ob sich diese Maximalforderungen durchsetzen ließen. Ludwig XII. war zwar auf das Entgegenkommen der römischen Seite angewiesen, doch auch als verschlagener und geiziger Machtpolitiker bekannt. Mit einer längeren Dauer der Verhandlungen war also zu rechnen.
11. Cesare und Lucrezia: Neue Ehen, neue Allianzen, neue Macht
Es gehörte zur römischen Taktik, den Antrag Ludwigs XII. auf Auflösung seiner Ehe als eine rein geistliche Angelegenheit zu behandeln. Solche Verfahren entschieden über Heil oder Verdammnis und bedurften deshalb der sorgfältigsten Prüfung durch ausgewiesene und unparteiische Experten, so die Verhandlungsposition in einem päpstlichen Breve, mit der die französische Seite in die Defensive gedrängt werden sollte. Natürlich war das reine dissimulazione , pure Verstellung. Der Papst gab vor, objektiv und ohne Eigeninteressen zu handeln, obwohl alle Eingeweihten wussten, dass das Gegenteil wahr war. Doch zum einen wahrte Alexander VI. damit die Form und das Gesicht, und zum anderen trieb er durch diese Verzögerung die Preise nach oben.
Aber auch der König von Frankreich hatte seine Asse im Ärmel. Die Borgia standen permanent unter Zeitdruck, konnten sich eine allzu lange Verzögerung also nicht leisten. Starb der Papst, war es mit ihrer Herrlichkeit zu Ende und Cesares Zukunft mehr als ungewiss. Dieser drängte deshalb ungestüm, endlich zur Tat zu schreiten und ein Fürstentum zu erobern. Deshalb ging das Breve, mit dem Alexander VI. eben noch in gesetzten Worten die Macht einer ehrwürdigen kirchenrechtlichen Tradition beschworen hatte, urplötzlich zur Aushandlung eines Tauschgeschäftes über: Alles, was der König in Rom erreicht habe und weiter gewinnen werde, verdanke er der Fürsprache Cesare Borgias beim Papst. Der Sohn war damit als der Empfänger der königlichen Wohltaten legitimiert. So viel selbstloser Einsatz für die Belange des Bittstellers verdiente schließlich seinen Lohn. Kurz darauf bezeichnete der Papst in einem ebenfalls offiziellen Schriftstück Cesare als das Teuerste, was er auf Erden besaß. Der Älteste aus der Verbindung mit Vanozza Cattanei war nun voll und ganz an die Stelle Giovannis, des Mordopfers, getreten.
In diesem Stil gingen die Verhandlungen Zug um Zug weiter. Der Papst kam dem König ein Stück entgegen, worauf dieser seinerseits einen Teil der an ihn gerichteten Forderungen erfüllte. Da bot es sich an, den Meistbegünstigten des Deals zu seinem künftigen Verbündeten nach Frankreich zu schicken. Zum ersten Mal in seinen mittlerweile dreiundzwanzig Lebensjahren trat Cesare Borgia jetzt aus dem Schatten seines Vaters heraus. Auf dieser Mission durfte er zwar weiterhin dessen Rückendeckung sicher sein, doch bewähren musste er sich selbst. Die französische Hofgesellschaft würde ihn sehr genau beobachten und auf seine Fürstentauglichkeit hin überprüfen. In den Kreisen des höchsten Adels hing vieles vom persönlichen Eindruck ab. Cesare war jetzt seines Glückes Schmied.
Ende Oktober 1498 traf er zu Schiff in Marseille ein. In seinem Gepäck hatte er erlesene Gewänder und exklusive Geschenke, mit denen er die in Italien als arrogant verschrienen französischen Aristokraten beeindrucken wollte. Cesare selbst war in schwarzen Samt gewandet. Das verlieh ihm einen geistlichen Anstrich, wie er zu einem Gesandten des Heiligen Vaters wohl passte. In diesem Rang nämlich war dessen Sohn unterwegs, obwohl es de facto ausschließlich um seine eigenen Angelegenheiten ging.
Während Cesare von der Provence nach Chinon reiste, wo der französische Hof weilte, erwies sein Vater seiner Mission unschätzbare Dienste. Am 17. Dezember 1498 annullierte das zuständige geistliche Gericht die Ehe von Ludwig XII. mit Jeanne de France, da diese nie vollzogen worden sei. Die gedemütigte Ex-Gattin hatte dieser Begründung vehement widersprochen, doch hatte das Tribunal ihrer Aussage keinen Glauben geschenkt – der Ausgang des Verfahrens
Weitere Kostenlose Bücher