Die Boten des Todes
fürchterlich. Ada
hatte einen Schuß auf den Totenschädel abgefeuert. Einen Meter darüber
splitterte der Kalk aus der Wand. Triumphierend schwang Ada den Revolver.
»Der Kerl soll sich hüten! Gehen wir!«
Adrian faßte sich mühsam. »Vermutlich
hast du ihn jetzt schon verscheucht, mein Herz«, sagte er kopfschüttelnd.
»Gehen wir erst gemeinsam durch unsere Räume. Dann von verschiedenen Seiten in
das Kaminzimmer. Wenn er hier oben ist, kann er uns nicht entkommen.«
In Adrians Zimmer fand sich nichts. Der
Schrankkoffer stand geöffnet in seinem Arbeitsraum, wie Adrian ihn verlassen
hatte. Das Märchenbuch lag unberührt auf dem Nachttisch. Das Bad war leer. Das
gleiche ergab sich in Adas Räumen. Herr Adrian dachte mit Wehmut beim Anblick
von Adas Bett an den Vorsatz, den er eigentlich hatte ausführen wollen, anstatt
mit dieser Flinte in dem verdammten Haus herumzuschleichen.
Er zog Adas Ohr an seine Lippen. »Die
Waffenkammer!« flüsterte er. »Du von rechts! Ich von der anderen Seite!«
Ada nickte wortlos. Eine ideale
Verbündete.
Adrian schlich auf Zehenspitzen um die
Ecke in den Teil des Korridors, der zur Treppe und zu dem vorderen Fenster
führte. Es hatte keinen Zweck, die Tür behutsam zu öffnen. Er hatte die
Flurbeleuchtung im Rücken und würde sich gegen die Öffnung abheben wie ein
Filmstar gegen die Leinwand. Hier half nur beherztes Handeln.
Er stieß die Tür auf und sprang auf die
Schwelle. Im gleichen Augenblick flog die gegenüberliegende mit gleichem
Schwung nach innen. Adas Gestalt erschien im Rahmen, silbern glänzend. Sie
hielt ihren Revolver ungefähr gegen Adrians Magen.
»Hände hoch, wenn jemand da ist!«
schrie sie gellend.
Adrian sprang zur Seite und erwischte
den Lichtschalter. Er stieß an den eisernen Ritter. Die Streitaxt polterte mit
Donnergetöse zu Boden.
Mit dem Aufflammen der Lampen sahen sie,
daß außer ihnen niemand im Raum war. Adrian brauchte abermals sein Taschentuch
für die Stirn.
»Ich fürchte, auf diese Weise werden
wir niemals jemanden erwischen«, sagte er mit etwas angespanntem
Gesichtsausdruck.
»Aber so war es richtig«, erwiderte Ada
mit leichtem Vorwurf. »Wenn er drin gewesen wäre, hätte er nicht entwischen
können!«
»Natürlich, natürlich, mein Kind«,
sagte Adrian begütigend. »Ich meine nur den Lärm. Wir müssen leiser sein.«
»Den Lärm hast du gemacht! Was mußt du
auch an den Ritter stoßen!«
»Dein Revolver hat mich irritiert,
Liebling.«
Sie kam auf ihn zu und umarmte ihn.
»Ach, Adrian! Ich hätte dich bestimmt nicht getroffen!«
»Bestimmt nicht, mein Herz. Du hast
auch den Pappschädel nicht getroffen.« Er küßte ihre Stirn. »Aber nun wollen
wir uns weiter umsehen.«
Es war nichts verändert. Die Waffen
hingen stumm an den Wänden. Die Möbel standen an ihrem Platz. Der Kamin zeigte
sein offenes, schweigendes Maul.
»Gehen wir hinunter«, sagte er. »Von
jetzt ab bleiben wir zusammen. Halte dich hinter mir, mein Kind.«
Gemeinsam sahen sie in die restlichen
Zimmer des Obergeschosses. Die Räume für die Gäste und für die Dienerschaft
waren so unberührt, als hätte sie seit Jahrzehnten niemand betreten.
Ada zog die Nase kraus.
»Es riecht etwas muffig!«
»Du hast recht«, sagte Herr van
Noringen. »Gelegentlich müssen wir uns um passendes Personal kümmern. Sonst
wird es noch muffiger riechen.«
Die Treppe knarrte leise, als sie zum
unteren Flur hinabstiegen. Adrian schaltete sämtliche Lampen ein, die er erreichen
konnte. Im Erdgeschoß war keine Spur eines Fremden zu entdecken. Die Zimmer
waren still, aufgeräumt und leer.
»Ich fürchte, ich brauche einen
Schluck«, sagte Ada, als sie in der Bar standen. »Mir zittern die Knie.«
»Setz dich, gutes Kind«, antwortete ihr
Mann. »Ich möchte nur den Keller nicht auslassen.«
»Auf keinen Fall gehst du allein«,
sagte Ada mit Bestimmtheit. »Wir haben zusammen angefangen und wir hören
zusammen auf!«
Adrian gab keine Widerworte. Sie
betraten den Vorratsraum neben der Küche. Die Kellertür war von außen
verriegelt.
»Siehst du das?«
»Ich sehe es.«
»Es kann schwerlich jemand im Keller
sein, wenn der Riegel von dieser Seite vorgeschoben ist. Sehen wir trotzdem
nach, der Ordnung halber.«
Trockene, kühle Luft schlug ihnen
entgegen. Alle Türen und alle Fenster waren geschlossen. Die Räume waren
übersichtlich angelegt, wie die oberen. Adrian öffnete Tür um Tür, die Flinte
vor sich haltend. Sie sahen den Weinkeller, enorme Vorräte von
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