Die Boten des Todes
zu
bedeuten?«
Signor Voltesi hob die Schultern so
hoch, daß sie fast mit der Glatze eine Linie bildeten. »Ich bedaure grenzenlos...«
Ada schlug die Augen auf. Ihre Hände
spannten sich um die Sessellehnen. »Aber was hat er denn damit gemacht, um
Gottes willen?«
Direktor Voltesi betrachtete sie
teilnahmsvoll. »Fünfzigtausend Franken hat er bar mitgenommen, gnädige Frau.«
»Bar? Aber er hatte doch gar nichts...
ich meine, wir haben nichts bei ihm...«
Sie verstummte. Cigaglia reckte den
Hals. »Und der Rest?«
»Den Rest«, entgegnete Signor Voltesi
bekümmert, »hat er auf eine andere Bank transferiert. Ich habe sehr bedauert,
Ihren Herrn Gemahl als Kunden zu verlieren, aber schließlich...«
»Auf welche?«
»Auf die Kantonalbank in Zürich.«
Doktor Cigaglia verharrte in seiner
Haltung für kurze Zeit. Seine Miene hellte sich auf. Er blickte zu Ada. »Ah!
Ich beginne zu verstehen! Vermutlich wollte Adrian das Geld leichter verfügbar
machen... für Sie, meine Liebe! Nachdem diese Bedrohung über ihm schwebte...«
Ruckartig wandte er sich zu Voltesi: »Das Konto! Läuft das Konto dort unter
seinem Namen?«
Signor Voltesi wurde etwas kleiner, als
wollte er Deckung hinter dem Schreibtisch suchen. Er fürchtete sich vor seiner
Antwort. »Ich bedaure Ihnen sagen zu müssen, daß die Überschreibung auf ein
geheimes Nummernkonto erfolgte...«
»Ein Nummernkonto?«
»Ein Nummernkonto.«
Die Augen Signor Voltesis flehten um
Verständnis für seine Lage. Ada schwieg. Und Cigaglia schwieg. Ihm war klar,
daß eher die Welt unterginge, als es möglich sein würde, diese Nummer von einer
Schweizer Bank herauszubekommen.
Stasi sah die Herrschaften aus dem
Portal treten. Doktor Cigaglia stützte Frau Ada wie vorher, aber Stasi schien
es, als ob der Anwalt dazu mehr Kraft aufwenden müßte als beim Hineingehen. Er
drückte seine Zigarette aus, schloß den Aschenbecher und rollte sich aus dem
Ledersitz. Am geöffneten Schlag wartete er. Frau Ada dankte mit einem matten
Lächeln. Doktor Cigaglias Miene war in einem amtlichen Ausdruck erstarrt.
»Sasso quadrato!«
»Sehr wohl, Herr Doktor«, antwortete
Stasi voller Respekt. Als er anfuhr, kurbelte der Anwalt die Trennscheibe
zwischen dem Fond und den Frontsitzen hoch. Stasi blickte häufig in den
Rückspiegel, wie es sich gehörte. Cigaglia sprach schnell und erregt auf Frau Ada
ein. Sie sah mit gepreßten Lippen geradeaus.
Keine sehr fröhliche Stimmung, dachte
Stasi. Gleichwohl kein Wunder. Man sah selten heitere Leute bei
Erbangelegenheiten. Weniger dagewesen, als man gehofft hatte. Ganz sicher.
»Es muß einen Grund haben«, sagte
Signor Cigaglia hinten. »Ich verspreche Ihnen, ich finde ihn. Und ich werde
alles daransetzen, an das Geld heranzukommen. Wir werden eine Verfügung
erwirken... Sie sind Alleinerbin...«
»Was kann es nur sein?« flüsterte Ada.
»Er hat mir immer alles gesagt... er hatte so viel Vertrauen...«
»Er wollte es Ihnen sagen! Ich bin ganz
sicher! Er fühlte sich bedroht, wollte alles erklären... der Mörder ist ihm
zuvorgekommen!«
»Der Mörder«, flüsterte Frau Ada. Der
Wagen neigte sich leicht in der Kurve. Frau Ada wurde etwas gegen ihren Anwalt
gepreßt. Er hielt sich aufrecht und sie blieb in ihrer Stellung.
»Adrian hat recht gehabt«, flüsterte
sie weiter. »Wir hätten fortziehen sollen... gleich am Anfang... ich habe
solche Angst, Carlo!«
»Sie brauchen keine zu haben.« Carlo
dachte an die Worte des Hauptmanns und wußte, daß seine Behauptung mindestens
fragwürdig war. Wieder tauchte der lästerliche Gedanke in ihm auf, der ihn
schon am Grab bedrängt hatte. Man würde unter Umständen über Nacht reich sein.
Was für ein merkwürdiger Mörder, der für die Interessen anderer Leute
arbeitete.
»Es wird Ihnen nichts geschehen«, sagte
Doktor Cigaglia. »Man wird den Täter finden und Sie haben Ruhe!«
»Ruhe!« seufzte Ada. »So wie Adrian!«
Stasi steuerte behutsam und sah die
beklommenen Gesichter im Spiegel über der Windschutzscheibe. Kein Zweifel, es
hatte Ärger gegeben und er vermutete, daß noch mehr davon nachkommen würde. Die
Geschichte war nicht zu Ende, ganz sicher nicht.
Rechts tauchte die Mauer auf, dann das
Portal. Stasi hielt an, stieg aus und öffnete das Tor. Er sah in den Park. Wer
konnte wissen, ob inzwischen wieder etwas passiert war? Wirklich ein
interessantes Haus. Nicht langweilig. Man sollte die Stellung halten. Und wenn
sie auf die Idee kam, plötzlich keinen Chauffeur mehr
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