Die Boten des Todes
oben
in einem der Fremdenzimmer schlafen... er kann sich die Ost- oder die Westseite
aussuchen, je nach seiner politischen Einstellung. Ich darf noch hinzufügen,
daß er auf der Ostseite mehr in der Nähe der gnädigen Frau wäre.«
Hadik verzog keine Miene. »Wir werden
das nachher besprechen.« Stalacarro blickte auf seine Uhr.
»Ich bin untröstlich, daß Sie warten
müssen, Hauptmann«, sagte er. »Wenn die gnädige Frau gewußt hätte... aber
vielleicht sind sie schon auf dem Rückweg...«
Er stand auf und stieß die Flügel der
Fensterläden zurück. Die Sonne drückte grell in den Raum. Stasi hielt die Hand
über die Augen. »Na also!« rief er. »Die Galeere ist in Sicht!« Er deutete zum
See hinunter. »Sehen Sie! Dann wird es nicht mehr lange dauern.«
Stalacarro und Hadik traten hinter ihn.
Das Boot war etwa einhundertfünfzig
Meter vom Ufer entfernt. Es machte wenig Fahrt, die Schraube schlug nur
schwache Wellen hinter dem Heck. Man erkannte Corry hinten am Ruder, und Frau
Ada, die vor dem Aufbau der Kajüte in einem Liegestuhl lag. Das Mädchen hielt
das Boot auf die Küste zu, drehte dann wieder ab und fuhr einen großen,
gemächlichen Kreis durch das Türkiswasser.
»Sie fährt noch ein paar Manöver«,
sagte Stasi bedauernd. »Sie scheint von der Küste zu stammen. Seefahrt ist not.
Hoffentlich reicht das...«
Benzin, hatte er sagen wollen. Aber es
geschah etwas, und er brach ab. Die Männer schoben die Köpfe an seinen
Schultern vorbei.
Das Boot unten schüttelte sich, als
wäre es unter Wasser gerammt worden. Es legte sich nach Backbord, schwankte
zurück und geriet außer Kurs. Sie sahen, wie Frau Ada aus dem Liegestuhl
auffuhr. Dann stieg von der Steuerbordseite, dicht am Heck, eine Wolke empor.
Graubrauner, klebriger Rauch, ein häßlicher Schmutzfleck unter dem klaren Himmel.
Die sechs Ohren am Fenster der Bar
hörten einen dumpfen, hallenden Knall über die Wasserfläche her.
»Was zum Teufel...« sagte Stalacarro
scharf.
Dann sahen sie, wie das Boot sank. Der
Außenbordmotor näherte sich langsam, aber stetig dem Wasserspiegel, und ebenso
langsam stieg der Bug in die Höhe.
Sie hörten, wie Frau Ada schrie.
»Runter!« brüllte Stasi.
Er war schon am Ende der Terrasse, als
sie das Vestibül erreichten. Hadik war schnell, aber er konnte den Sekretär
nicht einholen. Hinter sich hörte er den Hauptmann keuchen. Der Weg schlängelte
sich abwärts. Hadik übersah eine Wurzel und flog fluchend ins Gebüsch. Sein Fuß
schmerzte, als er auf stand.
»Was ist?« rief Stalacarro.
»Nichts.« Sie liefen weiter.
Stasi erreichte den freien Strand. Der
Kies flog unter seinen Füßen. Im Laufen sah er, daß nur der Bug des Bootes noch
aus dem Wasser ragte. Frau Ada und Corry waren nicht mehr darauf. Erst als er
am Ufer war, entdeckte er sie.
Sie schwammen im Wasser, ungefähr
dreißig Meter vom Boot entfernt und noch reichlich hundert vom Ufer. Corrys
Kopf war dicht hinter dem von Frau Ada. Er hob sich stoßweise aus dem Wasser.
Ganz langsam entfernten sich die beiden von dem sinkenden Boot. Corry rettete
ihre Herrin, genau nach Vorschrift, wie in einem Kurs der Wasserwacht.
Die Frage war, ob sie durchhalten
würde. Stasi wartete es nicht ab. Er schleuderte Jacke und Schuhe von sich und
war im Wasser, als Stalacarro und Hadik das Ufer erreichten. Stasi kraulte
schnurgerade auf die beiden Frauen zu und zog eine glitzernde Spur durch das
Wasser. Hadik nestelte an seinen Schnürsenkeln.
»Bleiben Sie hier«, keuchte der
Hauptmann atemlos. »Die schaffen es. Können besser schwimmen als wir beide
zusammen.«
Das Boot versank. Der Bug richtete sich
kurz auf, hob sich noch ein Stück aus dem Wasser, vorschriftsmäßig wie nach
einer Seeschlacht. Dann riß der Sog ihn nach unten. Die Flut schloß sich über
Herrn van Noringens Zeitvertreib, der nun auch für seine Frau beinahe zum Sarg
geworden wäre.
Corry hielt Frau Ada fest unter den
Achselhöhlen. Der schmächtige Körper war fast ohne Gewicht, aber der Kopf hing
schlaff hintenüber, und es war schwer, ihn genügend weit aus dem Wasser zu
heben. Frau Ada schien ohnmächtig zu sein. Gut, dachte Corry. Besser als wenn
sie sich an mich geklammert hätte in Todesangst. Hoffentlich ist es nicht mehr
als eine Ohnmacht.
Sie schlug kräftig mit den Beinen, aber
es ging unendlich langsam und sie wußte nicht, ob sie überhaupt vorwärtskam und
dem Ufer näher. Das Wasser überspülte stoßweise ihr Gesicht. Die Arme waren
steif und fast ohne
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