Die Boten des Todes
Köchin.
Stalacarro kam heraus. Seine Schritte
klangen im Vestibül. Er öffnete die Tür zu Bar.
Corry und Cigaglia saßen auf ihren
Plätzen. La Verne stand hinter der Theke und mixte. »Ich hoffe, Sie haben
nichts dagegen, Herr Hauptmann. Wir müssen den Hunger betäuben.«
Stalacarro achtete nicht auf seine
Worte. Er sah mit einem langsamen Blick in alle Gesichter.
Cigaglia fragte: »Was ist mit Frau
Zirli? Fehlt ihr etwas?«
Die Zeilen in der Maschine tauchten vor
Stalacarro auf. »Nichts«, antwortete er. »Nur, daß sie tot ist.«
Cigaglias Ohren wurden blaß. Corry
krallte die Finger um Kinn und Lippen, aber sie konnte den Schrei nicht ersticken.
La Verne setzte die Flasche hart auf den Bartisch. Die lustigen Linien in
seinem Gesicht verschwanden.
»Machen Sie...« stammelte Cigaglia
mühsam, »Sie machen... Scherz mit uns...«
»Frau Zirli ist ermordet worden«, sagte
Stalacarro klingend. »Im Lauf der letzten halben Stunde. Mit einer Schlinge
erwürgt.«
Aus den Augen des Mädchens liefen
langsam Tränen hinunter zwischen ihre Finger. Der Anwalt rührte sich nicht. Die
Blässe hatte seine Glatze erreicht. Stasi nahm seine Hand von der Flasche. »Doch
vor dem Essen!« sagte er vernehmlich.
Stalacarro sah ihn an. »Ganz recht. Ich
nehme an, daß Sie alle keinen Appetit mehr haben werden. Ich habe das Menü
abbestellt. Sie bleiben hier in der Bar. Der Mörder ist im Haus. Sie wissen,
daß er vor nichts zurückschreckt.« Er verließ sie, bevor sie den nächsten
Atemzug getan hatten.
Hadik stand auf seinem Posten. »Nichts,
Hauptmann.«
»Geräusche?«
»Keine außer Ihren.«
»Wir müssen alles durchsuchen. Bleiben
Sie im Flur und achten Sie höllisch auf die Treppen nach unten.« Er zog eine
schmale Waffe aus der Gesäßtasche. »Wenn es knallt, kommen Sie zu mir.«
Hadik nickte grimmig. Zum zehnten Male
lockerte er den Revolver im Schulterhalfter.
Stalacarro ging von Zimmer zu Zimmer.
Er fand nichts. Noringens ehemaliges Schlafzimmer war verschlossen. Leise ging
er zu Hadik zurück. »Fragen Sie das Mädchen, wo der Schlüssel zu diesem Zimmer
ist und bringen Sie ihn her. Ich warte hier.«
Hadik verschwand. Stalacarro stand in
völliger Stille. Auch die Geräusche aus der Küche hörte er nicht mehr. Die
Zimmer Noringens. Das Kaminzimmer. Der Boden. Mehr blieb nicht. Er konnte nicht
verhindern, daß er aufatmete, als Hadiks Gestalt an der Treppe erschien. »Der
Schlüssel ist drin bei ihr«, sagte er gedämpft. »Sicher irgendwo im Schreibtisch.«
»Hätten wir selber drauf kommen
können.«
Stalacarro wies nach vorn zur Treppe.
Hadik ging schnell zu seinem alten Platz. Der Hauptmann trat zum zweitenmal in
das Schlafzimmer der Toten. Wieder sah er die Maschine, das Blatt, die Drachen
auf dem Morgenrock und die Schlinge. Die Blässe der Haut war jetzt deutlicher
über dem roten Stoff. Stalacarro stülpte sein Taschentuch über die Finger und
zog vorsichtig die Schubladen des kleinen Schreibtisches auf. Die Unordnung
setzte sich auch hier fort. Zahllose Notizzettel waren zwischen Schmuck und
Make-up-Artikel gestopft. Er fand den Schlüssel in einer Schachtel mit Lockenwicklern.
Leise ging er hinaus. Er richtete seine Waffe auf die Tür, bevor er aufschloß
und sie zurückstieß.
Das Zimmer, in dem Adrian van Noringen
geschlafen hatte, war aufgeräumt und peinlich sauber. Ein wohltuender
Unterschied zu Irmelas Räumen, aber die Ordnung erweckte ein Gefühl nach Gruft
und Verlassenheit. Ein Museum. Das Bett schien zwanzig Jahre nicht berührt zu
sein. Auf dem Nachttisch stand die Lampe mit dem grünen Schirm, unter der
Noringen das Märchenbuch gefunden und von den Boten des Todes gelesen hatte.
Sonst fand Stalacarro nichts. Das Bad und das Arbeitszimmer waren leer. Im
Schrank hingen ein paar Anzüge. Niemand konnte sich verstecken. Er öffnete die
Eckfenster des Arbeitszimmers und sah hinaus auf die Simse und das Mauerwerk.
Alles war leer. Stalacarro schloß wieder ab. Er wußte schon jetzt, daß sie
nichts finden würden.
Er ging vor bis zur Treppe. Hadik
erschien gegenüber am oberen Absatz der anderen. Stalacarro deutete in die
Richtung der Kaminzimmertür. »Machen Sie von der anderen Seite auf! Ich geh’
rein!«
Die Luft war schwer und verbraucht. Die
Schächte zu beiden Seiten des Kamins führten nur wenig Sauerstoff zu, wenn Windstille
war. Der Gepanzerte stand drohend. Es war Stalacarro, als könnten starre Augen
hinter dem Visier ihn beobachten. Er trat neben die erhobene Axt,
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