Die Botin des Koenigs reiter2
muss feststellen, dass mir das leid tut, denn der See war wunderschön.
Wir warten nun schon seit mehreren Monaten auf die nächsten Schiffsladungen mit Soldaten und Nachschub aus dem Reich. Vielleicht sind die Schiffe in einen Sturm geraten.
EIN STURZ VOM RAND DER WELT
Alton fuhr sich mit der Hand durch das strähnige Haar und ging wie eine zornige Wildkatze am Wall auf und ab.
Warum reagierte der Wall nicht auf ihn? Jedes Mal, wenn er versuchte, den Kontakt herzustellen, war die Magie gerade eben außerhalb seiner Reichweite und glitt ihm durch die Finger wie Wasser. Seit Tagen nun hatte er den größten Teil seiner Zeit am Wall verbracht, selbst die Abendstunden, und versucht, die Stimmen zu erreichen, die in den Steinen sangen, aber er konnte sie nicht hören.
Stattdessen ragte der Wall schweigend über ihm auf. Alton spürte so etwas wie Spannung vom Wall ausgehen, aber dann schnaubte er nur verächtlich – es hätte ebenso gut seine eigene Anspannung sein können, weil er nicht weiterkam. Dann war da diese Ruhelosigkeit, die von der Bresche, vom Schwarzschleierwald, ausging. Eine Intelligenz, die ihn bis ins Mark frieren ließ.
Er hielt inne und warf einen Blick auf die Bresche und den schweren grauen Nebel über dem frischen Mauerwerk. Der Wall, nahm er an, konnte nicht mit ihm kommunizieren, weil er sich auf andere Dinge konzentrieren musste. Vielleicht hatten der Wall und der Schwarzschleierwald einen Gleichstand der Kräfte erreicht.
Aber war das nicht schon seit Jahrhunderten so? Der Wall
war immerhin errichtet worden, um den Schwarzschleierwald zurückzuhalten, um zu verhindern, dass er sich nach Sacoridien ausbreitete.
Etwas hat sich verändert, dachte er. Der Schwarzschleier ist … irgendwie aktiver.
Sein Onkel, der nach ihm rief, riss ihn aus den Gedanken. Alton drehte sich um und sah, dass Landrew auf ihn zukam, gefolgt von einem Diener mit einem Picknickkorb.
»Die Zeit zum Abendessen ist lange vorbei, mein Junge«, sagte Landrew, »und du hast das Mittagessen versäumt.«
Alton kratzte sich am Kopf. Tatsächlich? Als er versuchte, sich zu erinnern, bemerkte er nur, dass ein Tag für ihn mit dem nächsten verschmolz. Aber als er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er tatsächlich Hunger hatte, und die Sonne sank stetig nach Westen. Der Diener breitete eine Decke auf dem Boden aus und packte Brötchen, kaltes Huhn, Wassermelonenscheiben und eine Flasche aus dem Weinkeller seines Onkels, einen rhovanischen Weißen, aus dem Korb.
»Setz dich und iss«, wies ihn sein Onkel an. »Ich will nicht, dass du vor Überarbeitung zusammenbrichst.«
Alton gehorchte und bemerkte amüsiert aus dem Augenwinkel, wie sich Sergeant Uxton die Lippen leckte, als der Diener ein Stück Blaubeerkuchen aus dem Korb holte. Alton lächelte – er hatte nicht vor, das Essen mit dem Mann zu teilen.
Sein Onkel setzte sich auf die Decke und goss sich einen Becher Wein ein.
»Kein Glück heute, wie?«
Alton schüttelte den Kopf. Der enttäuschte Blick seines Onkels entging ihm nicht. Sie schwiegen, während Alton zwei Teller Huhn und Brot vertilgte und dann mit dem Kuchen begann. Er hätte beinahe gelacht, als Sergeant Uxtons hoffnungsvolle Miene erschlaffte.
Landrew trank den letzten Schluck Wein und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
»Ich nehme an, es gibt immer noch morgen.«
»Ich habe vor, heute Abend noch weiterzuarbeiten. Ich bin kurz vor einem Durchbruch, das weiß ich«, erklärte Alton mit einem Selbstvertrauen, das er nicht empfand.
»Aber pass auf dich auf«, sagte Landrew. »Ich habe einen Jungen, der nicht einmal in die Nähe des Walls gehen will, und einen, der ihn nicht verlassen will.« Er schüttelte den Kopf.
Tatsächlich war das einzig Gute in der letzten Zeit gewesen, dass Alton seinen Vetter Pendric seit ihrem Kampf kaum gesehen hatte. Es hieß, dass er jeden Morgen ausritt, um dem Lager bis zum Sonnenuntergang fernzubleiben. Wenn Alton ihn sah, war Pendric ungepflegt, unrasiert, das Haar zerzaust und seine Kleidung schmutzig.
Ich sehe auch nicht besser aus. Alton fuhr sich über die Stoppeln an seinem Kinn.
Landrew stand auf und tätschelte Altons Schulter.
»Wir haben vielleicht noch keine Antworten, aber das wird sich bald ändern. Dein Fleiß macht mich stolz.«
Landrew ging davon, und Alton blieb stehen und starrte wieder die Bresche an. Er hoffte, sich des Lobs seines Onkels würdig zu erweisen, aber im Augenblick hatte er mehr Zweifel als je zuvor. Selbst wenn
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