Die Botin des Koenigs reiter2
bewusst, dass einige Zeit vergangen war. Wahrscheinlich würde jeden Augenblick jemand merken, dass er zu lange allein oben auf dem Wall stand.
»Hilfe!«, schrie er zum Lager hin. »Hilfe! Zur Hilfe! Der Wald hat Lord Alton geholt!«
Die Soldaten, die Wache hielten, setzten sich in Bewegung. Er würde ihnen sagen, dass eine Ranke aus dem Wald herausgeschossen war und Lord Alton gepackt hatte. Je dichter er mit seiner Geschichte an der Wahrheit blieb, desto leichter würde es sein, glaubwürdig zu bleiben.
Als die Soldaten auf die Bresche zueilten, bemerkte Uxton plötzlich das Blut am Ende seiner Armbrust. Fluchend wischte er es mit der Hand ab.
Zum Teufel!
Nun hatte er Blut auf der Tätowierung in seiner Handfläche. Er wischte sich die Hand an der Hose ab, als der erste Soldat die Leiter hinaufkletterte, und hoffte, an dem schwarzen Stoff wäre nichts davon zu sehen.
PENDRIC
Ganz gleich, wie weit Pendric vom Lager und vom Wall wegritt, ganz gleich, wie sehr er sich anstrengte, an etwas anderes zu denken, die Stimmen folgten ihm. Sie sangen für ihn, flehten ihn an, versuchten, ihm Befehle zu erteilen … Er verstand nicht, was mit ihm geschah oder warum sie ihn so quälten, er wusste nur, dass es Altons Schuld war, der die böse Magie des Schwarzschleierwalds geweckt hatte.
Es war Abend, als Pendric sein Pferd widerstrebend zum Lager führte. Er war abgestiegen, als könne er so seine Rückkehr zum Lager aufhalten. Die Stimmen riefen ihn wahrscheinlich, ganz gleich, wohin er ging. Aber in der Nähe des Walls war es immer noch schlimmer, so als zögen sie ihn gegen seinen Willen dorthin.
Er versuchte, sich auf die Geräusche des Waldes zu konzentrieren – das entfernte Hämmern eines Spechts gegen einen Baum, ein Rascheln im Unterholz, als kleine Tiere in der Nähe nach Futter suchten, den Hufschlag seines Pferdes. Beißer summten ihm um die Ohren, und Vögel zwitscherten und sangen überall im Wald.
Pendric hoffte, dass es funktionieren könnte, aber schon fingen die Stimmen in seinem Kopf wieder mit ihrem Geschrei an. Sie übertönten alle leisen Waldgeräusche, sie übertönten seine eigenen Gedanken. Sie übertönten alles. Er fiel
zu Boden und vergrub den Kopf unter den Armen. Als auch das nichts gegen die durchdringenden Stimmen half, kam er auf die Knie, schlug mit Zweigen gegen einen umgestürzten Baum und schrie seine Qual heraus, nicht mehr im Stande, seine eigene Stimme von den anderen zu unterscheiden.
Schließlich hielt er erschöpft inne. Etwas musste am Wall passiert sein, und er musste herausfinden, was. Sein Pferd war weg, er hatte es so erschreckt, dass es davongelaufen war. Er kam unsicher auf die Beine und trabte aufs Lager zu.
Schließlich fand er sein Pferd, das am Wegesrand Blätter fraß. Er näherte sich vorsichtig, redete leise auf es ein, damit es sich nicht wieder erschreckte, und griff nach den Zügeln. Sobald er im Sattel saß, versetzte er dem Pferd einen Schlag mit der Reitgerte und spornte es zu einem halsbrecherischen Galopp an.
Der Himmel wurde schon dunkel, als sein erschöpftes Pferd schließlich die Lichtung mit dem Lager erreichte. Feuer brannten überall, und viele Laternen und Fackeln konzentrierten sich an der Bresche. Pendric trieb sein Pferd weiter, bis dem Tier blutiger Schaum aus dem Maul tropfte. Er würde es umbringen, wenn es nötig war, um zum Wall zu kommen. Das Pferd trabte erschöpft dahin. Als er die Bresche erreichte, schwang er sich aus dem Sattel und ließ einfach die Zügel los. Ihm war gleich, ob das Tier umfiel und starb.
Mehrere Soldaten standen oben auf der Bresche und starrten in den Wald. Andere drängten sich um seinen Vater, der mit den Offizieren sprach. Pendric musste einige Soldaten beiseiteschieben, um Landrew zu erreichen.
»Korporal, ich möchte, dass Ihr die Nachricht zu Lord D’Yer bringt, und zwar so schnell wie möglich«, sagte Landrew zu einem Soldaten im Blau und Gold der D’Yers.
»Ja, Mylord.«
»Sergeant, als einziger Zeuge des Ereignisses werdet Ihr sofort zum König reiten, sodass er erfährt, was hier geschehen ist.«
»Ja, Mylord.«
Der Name des Sergeanten war Uxton, wenn sich Pendric recht erinnerte. Sowohl der Korporal als auch der Sergeant verließen die Gruppe im Laufschritt, um Landrews Befehle zu befolgen.
»Was ist passiert?«, wollte Pendric wissen.
Nun erst bemerkte sein Vater ihn und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Dein Vetter ist vom Schwarzschleier geholt worden.«
Unwillkürlich
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