Die Botin des Koenigs reiter2
brach ein beinahe hysterisches Kichern aus Pendrics Kehle. »Böses gesellt sich zu Bösem.«
Der Schlag, den sein Vater ihm versetzte, traf ihn wie ein Blitz, aber er half, seinen Kopf zu klären, und bewirkte, dass er sich besser fühlte. Er wünschte sich beinahe, Landrew würde es noch einmal tun.
»Vergiss nicht, von wem du sprichst«, knurrte Landrew. »Dein eigener Verwandter.« Die Soldaten in der Nähe traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Er hat zumindest versucht, etwas zu unternehmen, und ist deshalb zum Opfer geworden.« Damit tat er seinen Sohn vollkommen ab.
»Mylord«, rief einer der Soldaten auf der Bresche, »da unten passiert etwas, ich weiß nicht … «
Dann erklangen menschliche Entsetzensschreie hinter dem Wall, und alle schwiegen entsetzt.
»Jemand kommt!«, berichtete der Soldat. Er und sein Kamerad setzten dazu an, jemandem über die Mauer zu helfen.
Pendric sah fasziniert zu. Der Mann, der die Leiter herunterkam, war nicht sein Vetter, sondern ein anderer Soldat.
»Was ist passiert, Mandry?«, fragte ein Offizier. »Wo sind
die anderen?«
Tränen liefen dem Mann über die Wangen. »Er ist aufgerissen! «
Der Offizier kniete sich neben Mandry, der sich auf den Boden sinken ließ, den Rücken zum Wall. »Was sagst du da? Was ist aufgerissen? Wo sind die anderen?«
»Der Boden – er ist aufgerissen und hat sie verschlungen. Er hätte auch mich beinahe erwischt, aber ich bin weggelaufen. Ich konnte ihre Schreie hören – von unter dem Boden. Ich schaute zurück, und es waren nur Buckel auf dem Boden zu sehen, wo sie gewesen waren, wie frische Gräber. Dann sah ich das Gesicht von Carris im Moos. ›Hilf mir!‹, sagte er. ›Es verschlingt mich.‹ Und dann wurde er wieder nach unten gezogen. Ich habe versucht, nach ihm zu graben. Aber dann hat der Boden wieder angefangen, sich zu bewegen, und ich bin gerannt.«
Von den Soldaten waren Gemurmel und erschrockenes Keuchen zu hören.
»Ruhe!«, brüllte Landrew. Pendric sah, dass das Gesicht seines Vaters vor Entschlossenheit starr wurde. Dann rief Landrew seinen Diener. »Bring mir mein Schwert. Ich gehe selbst hinein.«
Die Offiziere protestierten angestrengt, aber sie konnten ihn nicht abhalten. Noch während Landrew die Leiter hinaufstieg, regte sich wieder Kichern in Pendrics Kehle.
Wenn weder sein Vater noch Alton zurückkehrten, bestand durchaus die Möglichkeit, dass er der nächste Anwärter auf die Position des Lordstatthalters der Provinz D’Yer sein würde, und aus irgendeinem Grund fand er das äußerst komisch.
SCHWARZSCHLEIER
Das Bewusstsein schlängelte sich durch das Moos unter dem Körper des Mannes, nahm sein Gewicht und seine Umrisse wahr. Es absorbierte Blut, das aus der Kopfwunde floss. Das Bewusstsein drang in den Kopf des Mannes, fand aber nur dunkles Nichts vor. Verstört floh es wieder in die Welt des Mooses.
Der Mann war nicht tot, so viel konnte das Bewusstsein begreifen, aber die Hüter des Walls klagten laut. Sie waren nicht nur erschrocken, weil das Bewusstsein wieder erwacht war, sondern auch verzweifelt über die Anwesenheit des Mannes im Wald. So verzweifelt, dass ihre Anstrengungen, das Bewusstsein wieder einzulullen, schwach und wirkungslos blieben.
Das Bewusstsein war fasziniert. Wieso regten sich die Hüter wegen dieses einen Mannes so auf? Warum war er für sie so wichtig? Da er sich in diesem dunklen Zustand befand, fiel es dem Bewusstsein schwer, mehr über ihn herauszufinden.
Rote Ameisen kamen aus einem nahe gelegenen Haufen aus Erde und Laub, der ihr Nest war. Angezogen vom Geruch des Mannes, bildeten sie eine lange Reihe in seine Richtung, marschierten unnachgiebig vorwärts über Blatt und unter Zweig. Biss um Biss würden sie in ihr Nest zurückkehren und winzige Stücke Menschenfleisch mitnehmen. Wenn der Mann irgendwann während dieses Prozesses wieder erwachen
würde, hätte ihn das Gift, das die meisten bei jedem Biss hinterließen, längst gelähmt, und er müsste hilflos zusehen, wie sein Körper von ihnen verschlungen wurde.
Die Ameisen gehörten nicht in dieses Land, aber sie hatten sich gut angepasst. Sie waren unfreiwillig mit einer Ladung an Bord eines Segelschiffs aus Arcosia gekommen.
Arcosia – das Bewusstsein genoss das Wort wie einen guten Wein. Arcosia war ein Land aus vielen Ländern. Kleine Fragmente von Erinnerung waren in der letzten Zeit in ihm aufgekeimt, Erinnerungen an etwas, das nur der Ursprung des Bewusstseins sein konnte.
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