Die Botin des Koenigs reiter2
hervorragend gegen diese mürrische Stimmung helfen würden, in der sie sich befand.
Sie ging zu den Pferden, und ihr fiel auf, wie still die Nacht war. Nur ein paar kleine Lagerfeuer und Laternen leuchteten hier und da im Wald wie Feenlichter, und sie konnte die leisen Stimmen der Wachtposten hören. Karigan roch eine Mischung aus Holzrauch, Dung und Fichten, die sie nicht unangenehm fand. Während sie weiterging, ließ der Friede der Nacht die Finsternis ihres Traums von ihr abfallen.
Sie grüßte einen schläfrigen Wachtposten auf seiner Runde nahe dem Rand des Lagers und fand Kondor neben Kranich und einem schnarchenden Maultier angepflockt. Kondor hieß sie mit leisem Wiehern willkommen; seine Augen glitzerten im Sternenschein. Karigan schmiegte die Wange an seinen warmen Hals und schloss die Augen, nahm den Trost entgegen, den nur er ihr geben konnte. Das war noch viel besser als Tee oder ein heißes Bad.
»Mein treuer Freund«, murmelte sie ihm zu. Die ganze Zeit über, von den ersten Qualen des Rufs über den Abschied von ihrer Familie bis zu ihrer Anpassung an das Leben eines Grünen Reiters, war er für sie da gewesen, eine ermutigende Präsenz, die Trost und bedingungslose Liebe spendete.
Sie hätte nicht gewusst, was sie ohne ihn tun sollte, und sie hatte festgestellt, dass andere Reiter auf ähnliche Weise mit ihren Pferden verbunden waren. Das kam selbstverständlich von der engen Zusammenarbeit und der Tatsache, dass sich Pferd und Reiter aufeinander verlassen mussten, nicht nur, um ihre Aufträge zu erledigen, sondern auch um ihrer Gemeinschaft und ihres Überlebens willen. Und es reichte noch tiefer.
Irgendwie – und Karigan war sich immer noch unsicher, was diese Sache anging – waren Botenpferde im Stande, den
Reiter zu finden, zu dem sie am besten passten. Kondor hatte wegen der schrecklichen Umstände, die sie ursprünglich zusammengebracht hatten, nie die Gelegenheit gehabt, sie sich auszusuchen. Aber sie hatten eine tiefe Zuneigung zueinander entwickelt, die über die übliche Verbindung zwischen Pferd und Reiter hinausging, und das war auf einsamen Wegen ausgesprochen tröstlich.
Er war kein besonders schönes Pferd, ihr Kondor; er hatte einen eher knochigen Körperbau, und das braune Fell war von alten Narben verunstaltet, aber das war ihr gleich. Karigan hätte ihn nicht einmal gegen das schönste Pferd der Welt eingetauscht, und sie hatte ein paar wirklich schöne im Stall ihres Vaters gesehen, aber sie waren nicht Kondor. Es gab kein anderes Pferd wie ihn.
Selbst jetzt tröstete er sie nach ihrem schlechten Traum, und er schnaubte ihr seinen von Getreide süßen Atem ins Gesicht. Sie lächelte, zupfte an seinem Ohr, und er knabberte an ihrem Ärmel und bettelte um eine Leckerei.
»Tut mir leid, ich habe heute Nacht nichts für dich.«
Sie hatten dieses Spiel schon oft gespielt, seit sie bei der Delegation waren. Sie war zu ihm gegangen, weil sie seinen Trost brauchte. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie sich an diese Sache mit der Delegation gewöhnt hatte. Verglichen mit ihren üblichen Pflichten war das hier wie ein Wanderzirkus. So viele Menschen, die sich so langsam bewegten! Jeden Tag das Gleiche – Reiten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, dann das Lager für die Nacht errichten, das in den frühen Morgenstunden wieder abgebrochen wurde, um mit dem Kreislauf von vorn zu beginnen. Es ging ihr auf die Nerven, dass sich alles ständig wiederholte.
Bei einem normalen Botenritt konnten die Reiter ihr Tempo selbst bestimmen und Pausen einlegen, wo und wann sie
wollten. Manchmal bedeutete das ein einsames Lager im Freien und manchmal die Kameraderie eines Gasthauses. Bei der Delegation hatte man keine Wahl, was Tempo und Gesellschaft anging.
Ja, die Unabhängigkeit fehlte ihr, aber dafür gefiel ihr die Gelegenheit, die anderen Reiter besser kennenzulernen. Es geschah nur selten, dass Reiter gemeinsam unterwegs waren, denn normalerweise war es notwendig, dass sie allein arbeiteten, um König Zacharias’ Botschaften auch in die abgelegensten Winkel des Landes zu bringen. Aber das hier war ein ungewöhnlicher Auftrag.
Ein Auftrag, für den man Karigan speziell ausgewählt hatte.
Es gab mehrere andere Reiter, die für eine diplomatische Mission besser geeignet wären, hatte Hauptmann Mebstone ihr mitgeteilt. Karigan war schließlich nicht gerade – und an dieser Stelle hatte der Hauptmann gelächelt – die diplomatischste unter ihnen. Aber sie war diejenige, die die
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