Die Botin des Koenigs reiter2
zu werden, und tastete nach ihrem Säbel, fand aber nur Gras und Zweige.
Sie schaute sich um, sah aber nichts außer der dunklen Masse von Kondor, in dessen Augen sich das Feuer orangefarben spiegelte. Seine Ohren zuckten aufmerksam.
Grillen zirpten lauter und leiser; es war wie ein sich beschleunigender Pulsschlag, der kurz aussetzte und dann wieder begann.
Karigan spähte in den Wald, konnte aber nichts erkennen. Bevor sie jedoch auch nur daran denken konnte, das Feuer zu schüren, war sie von hoch gewachsenen Schattengestalten umgeben, deren Pfeilspitzen im Mondlicht glitzerten.
Karigans Herz schlug rasend schnell. Alle Pfeile waren auf sie gerichtet.
Eine Stimme erklang aus dem Dunkeln, leise und harmonisch und in einer Sprache, die sie nicht verstand, die sie aber zu kennen glaubte.
Sie befeuchtete die trockenen Lippen und fragte bemüht ruhig: »Seid ihr tiendan?«
Sie hörten auf zu flüstern. Es war totenstill.
Einige Zeit verging. Spannten die Bogenschützen ihre Sehnen? Sie schienen sich nicht zu regen.
Dann bewegte sich eine silbrige Pfeilspitze wie eine Sternschnuppe abwärts, und eine der Gestalten kam auf sie zu.
Eine hochgewachsene, schlanke Frau beugte sich über sie. Karigan konnte ihr Gesicht nicht genau erkennen, aber der
Mond beleuchtete flachsblondes Haar, das zu zahllosen festen Zöpfen geflochten war. Die Frau trug die übliche milchige Rüstung, die Karigan schon an Telagioth und seinen Leuten gesehen hatte.
Karigan kam auf die Beine und war sich nur zu sehr der Pfeilspitzen bewusst, die jeder ihrer Bewegungen folgten. Die Frau selbst stand reglos da, aber schließlich sprach sie.
Ihre Stimme war wie ein Lied, obwohl es kein freundlicher Gruß war, den sie von sich gab. Es war ein leiser Befehl, aber Karigan verstand die Worte nicht.
»Ich bin Karigan G’ladheon«, unterbrach sie die Eleterin. »Bote des Königs, Grüner Reiter.«
Schweigen.
Sie fragte sich, ob die Eleter sie auch nur verstanden hatten.
Die Frau wechselte ein paar Worte mit ihren Leuten. Pfeilspitzen wurden in eine weniger bedrohliche Position gesenkt.
Glitzernde Augen betrachteten Karigan forschend. Sie bemerkte ihre Decke, die an ihrem Bein lag, und die Kälte, die immer noch ihre Glieder betäubte.
»Dein Name ist im Alluvium bekannt«, erklärte die Frau. Ihre Stimme war nicht vollkommen kalt, aber auch nicht sonderlich freundlich.
Karigan und die Frau sahen einander an.
Dann sagte ein anderer Eleter etwas, und die Frau antwortete ihm ruhig, ohne dabei den Blick von Karigan zu wenden. Sie hatte die Bogensehne nun nicht mehr gespannt. Zu Karigan sagte sie: »Du wirst mit uns kommen.«
»Ich …«
Die Eleterin hob die Handfläche an die Lippen. Mondlicht sammelte sich in ihrer Hand, und sie blies darauf. Eine Wolke von silbrig glitzernden Staubpartikeln wehte Karigan ins Gesicht, und dann wusste sie nicht mehr, was geschah.
Als sie wieder zu sich kam, saß sie im Schneidersitz im smaragdgrünen Gras einer Lichtung, und die Dämmerung ließ zwischen den weißen Birken, die die Lichtung umgaben, goldenen Nebel aufsteigen. Die Äste und Zweige der Bäume waren ineinander verflochten wie ein Netz. Spuren kristallenen Lichts blinzelten zwischen den Birken, einige in der Nähe, andere weit entfernt, tief im Wald. Sie waren wie eine Galaxie von Sternen, silbrig unter glänzenden Blättern.
Mondsteine.
Karigan schüttelte den Kopf, denn in ihrem Hirn schienen sich komplizierte Schichten von Spinnennetzen zu befinden, die sie nicht zerreißen konnte.
Mondsteine und Eleter.
Die Eleter hatten sie hier auf diese Lichtung gebracht. Aber das war ein logischer Schluss, keine Erinnerung.
Warum bin ich hier?
Würden sie sie einfach hier sitzen lassen? War sie eine Gefangene, und wenn ja, warum? Die Frau, die mit ihr gesprochen hatte – letzte Nacht? –, hatte gesagt, ihr Name sei bekannt. Was bedeutete das?
Eleter tauchten aus dem Wald auf, als wären die schlanken Birken zum Leben erwacht. Wieder hatten sie Pfeile aufgelegt. Sie betraten die Lichtung nicht, sondern blieben unter den Bäumen stehen. Karigan versuchte, sie genauer zu erkennen, aber die Farbe ihrer Kleidung veränderte sich mit jeder Bewegung und ließ sie mit ihrer Umgebung verschmelzen.
Dann betrat die Frau die Lichtung. Auch ihre Rüstung veränderte sich im Licht, schimmerte wie das Gefieder eines Kolibris. Ihre blonden Zöpfe waren im Tageslicht noch heller, wie weiße Federn, die hinter ihr schwebten, wenn sie sich bewegte. Ihre Augen
Weitere Kostenlose Bücher