Die Botin des Koenigs reiter2
sie mit ihr reden wollten, hätten sie sie nicht auf dieser Lichtung einsperren müssen, auch wenn es ein sehr hübsches Gefängnis war.
Zu viel war bereits geschehen. Ihre Zeitreise fiel ihr wieder ein, und sie fuhr mit der Hand über ihren Rücken und die Seite, aber sie spürte nicht mehr von der Pfeilwunde als eine immer noch intensive Erinnerung daran, wie es sich angefühlt hatte.
Während sie unruhig auf der Lichtung auf und ab spazierte, ging sie die Ereignisse auf dem Wächterhügel im Geiste noch einmal durch. Aus einem seltsamen Grund hatte sie miterlebt, wie Lil Ambrioth Hadriax el Fex gerettet hatte. Sie war mit dem Ersten Reiter unterwegs gewesen.
Karigan hatte das intensive Gefühl, dass diese Geschichte irgendwie unvollständig war, und sie fragte sich, ob sie das Ende je erfahren würde. Hatte Lil ihre Pfeilwunde überlebt? Hatte sie ihren König wiedergesehen? Hatten Hadriax el Fex’ Informationen bei dem Sieg über Mornhavon den Schwarzen eine Rolle gespielt?
Die Äste teilten sich vor Karigan, und die Eleterin kam auf sie zu. Sie hatte Waffen und Rüstung abgelegt und trug nun ein langes Kleid in allen Farben des Meeres, schaumigen Grün- und Blautönen. Ihr Haar, das nicht mehr geflochten war, fiel ihr in fließenden Wellen über den Rücken.
Karigan erstarrte unter ihrem abschätzenden Blick.
»Geht es dir gut?«, fragte die Eleterin.
»Wann werde ich …«
Die Frau bedeutete ihr zu schweigen. »Ich weiß, dass du viele Fragen hast. Du wirst die Antworten schon bald erhalten. «
»Wo ist mein Pferd?«, wollte Karigan wissen – so schnell würde sie nicht aufgeben.
»Er ist zufrieden.« Diese Antwort wurde mit einem ironischen Hochziehen der Brauen gegeben.
»Das ist wohl kaum eine Antwort.«
»Genügt es dir nicht zu wissen, dass es ihm gut geht?«
»Im Augenblick genügt mir so ziemlich gar nichts.«
Die beiden starrten einander in schweigender Herausforderung an, und keine zuckte mit der Wimper.
Schließlich sagte die Eleterin ohne jegliches Zugeständnis: »Komm«, und drehte sich um, um die Lichtung zu verlassen. Sie erwartete offenbar, dass Karigan ihr ohne weitere Fragen folgte.
Karigan verschränkte die Arme und rührte sich nicht von der Stelle.
Die Eleterin blieb stehen und fragte ehrlich verwundert: »Wieso kommst du nicht mit?«
»Wohin bringst du mich?«
Die Züge der Eleterin blieben ausdruckslos, aber Karigan glaubte, ein minimales Stirnrunzeln zu beobachten. Gut so. »Ich bringe dich zum Sohn des Königs.«
Karigan gab sich keine Mühe, ihre Überraschung zu verbergen.
»Ja, Galadheon, du wirst einen Eleter sehen, den noch kein Sterblicher erblickt hat, denn der Prinz, mein Bruder, ist nach dem Umbruch zur Welt gekommen, den die von deiner Art den Langen Krieg nennen, und nach dem Aufruhr, der dem Krieg folgte.«
»Warum werde ich ihn sehen?«
»Weil es Dinge gibt, über die gesprochen werden muss.«
Karigan verzog bei dieser vagen Antwort missmutig das Gesicht.
»Du musst folgen.« Die Eleterin wandte sich wieder dem Wald zu, aber Karigan weigerte sich immer noch zu gehorchen.
Als die Eleterin diesmal stehen blieb, um zu sehen, was los war, sagte Karigan: »Ich bin nicht daran gewöhnt, Befehle von anderen als meinem Hauptmann oder dem König entgegenzunehmen. «
Die Augen der Frau blitzten vor Zorn. »Du bist unser Gast.« Dann erkannte sie offenbar, wie falsch sich das unter den Umständen anhörte, und sie fügte hinzu: »Verzeih, dass ich anmaßend war, aber es ist nicht weise, den Prinzen warten zu lassen.«
Wenn Gefangenschaft ihre Vorstellung von Gastfreundschaft war, dachte Karigan, wollte sie lieber nicht erleben, wie diese Eleter mit ihren wirklichen Gefangenen umgingen. »Zuerst«, sagte sie, »will ich deinen Namen wissen.«
Das verblüffte die Eleterin. »Gibt es einen Grund dafür?«
»Es ist nur eine Höflichkeit gegenüber einem Gast. Es scheint, dass du weißt, wer ich bin. Es wäre nur zuvorkommend, mir zu sagen, wer du bist.«
Wieder sah die Frau sie abschätzend an. »Also gut. Du kannst mich Grae nennen.«
Karigan nickte, zufrieden mit ihrem kleinen Sieg.
Die Gefängnisbäume hoben die Äste, um sie durchzulassen. Karigan versuchte nicht, sich mit Grae zu unterhalten, weil sie annahm, dass das ohnehin zu nichts führen würde. Eleter taten immer so geheimnisvoll, und Grae schien nicht daran gelegen zu sein, ihr zu erklären, worum es hier ging.
Überall im Wald glitzerten Mondsteine und verwandelten weiße Birken in
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