Die Botin des Koenigs reiter2
der offenbar in einer Schmiede arbeitete, denn Ruß war bis in die Falten seines Gesichts gedrungen. Der Schmied und die Frau kamen ihr vage bekannt vor, aber im Augenblick hatte sie nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Sie nahm eine defensive Haltung ein und ballte die Fäuste.
»Halt«, sagte der Soldat, der die Abzeichen eines Sergeanten an den Ärmeln trug, »wir wollen dir nichts tun. Wenn du einfach ruhig mitkommst …«
So, wie er Garth nichts getan hatte? »Wohin mitkommen?«
»Lord Varadgrim sucht nach dir.« Der Soldat lächelte trotz dieser unglaublichen Worte ganz unbeschwert. »Sieht so aus, als wollte man dich im Schwarzschleierwald sehen.«
Karigan war so verblüfft, dass sie sich beinahe nicht rechtzeitig geduckt hätte, als die Frau mit einer Keule nach ihrem Kopf schlug. Sie packte einen Besen, der an der Wand gestanden
hatte, und benutzte ihn, um weitere Schläge abzuwehren. Die Keulenschwingerin war nicht als Kämpfer ausgebildet, und Karigan hatte kein Problem damit, um sie herumzutänzeln. Ein guter Stoß mit dem Besenstiel in den Bauch bewirkte, dass die Frau die Keule fallen ließ und sich übergeben musste.
Der Schmied und der Soldat waren eine andere Sache. Sie waren beide mit Schwertern bewaffnet und taxierten Karigan selbstsicher.
Sie warteten auf ihre nächste Bewegung, also bewegte sie sich. Sie zerbrach den Besenstiel auf dem Kopf des Schmieds. Er fing an zu schielen und schwankte unsicher.
»Ich habe gehört, dass du von Drent ausgebildet wirst«, murmelte der Sergeant.
Karigan war ziemlich sicher, dass sie nicht vorhatten, sie zu töten, und das machte sie vielleicht mutiger. Sie stieß mit ihrem Stück des abgebrochenen Besenstiels nach dem Sergeanten, aber er schob ihn problemlos beiseite und versetzte ihrem Arm einen Schlag mit der flachen Seite seines Schwerts.
Der Schlag ließ Karigans alte Ellbogenverletzung erwachen, und die Schmerzen schossen bis zu ihren Zahnwurzeln hinauf. Der Besenstiel fiel klappernd auf den Boden.
»Ich habe auch gehört«, sagte der Sergeant, »dass du dir den Arm verletzt hast.«
Karigan rieb sich den Ellbogen. »Wer seid ihr, und warum tut ihr das?«
»Mein Name ist Westley Uxton, und trotz dieser Uniform, die ich trage, stehe ich treu zum Zweiten Reich. Wusstest du nicht, dass sich das Kaiserreich wieder erheben wird? Nein? Nun, diesmal wird es über das Volk dieses Landes siegen.«
Sie brauchte einen Augenblick, um seine Worte zu begreifen.
Gehörte Uxton denn nicht zum »Volk dieses Landes«? Sie verstand es nicht. Sie hätte ihm gern noch mehr Fragen gestellt, aber die Augen des Schmieds wurden wieder klarer, und die der Frau blitzten entschlossen. Sie setzte dazu an, nach ihrer Keule zu greifen.
Karigan seufzte und ließ die Schultern hängen, als gäbe sie sich geschlagen. Uxton entspannte sich daraufhin ein wenig und hielt den Sieg für sicher. Aber er hatte sich geirrt.
Karigan trat die Frau aus dem Weg und rannte in den Flur – wo sie auf der Stelle ausrutschte und mit einem » Umpf« gegen die gegenüberliegende Wand schlug. Sie versuchte verzweifelt, ihr Gleichgewicht zu bewahren auf diesem … vereisten Boden? Es war eiskalt im Flur. Und woher kamen diese kalten, feuchten Tropfen auf ihren Wangen?
»Was, um alles in der Welt …«
Im Flur schneite es; auf dem Boden lag bereits eine dünne Schicht, die golden und silbern im Lampenlicht glitzerte.
Uxton und seine Genossen rutschten in den Flur hinaus und hielten inne, ebenso verblüfft wie Karigan.
»Seht nur«, sagte Uxton. »Das ist die Macht des Kaiserreichs! Lord Mornhavon erwacht!«
Varadgrim, Schwarzschleier, Kaiserreich, Mornhavon … Karigan gefiel überhaupt nicht, was sie da hörte.
Die drei blockierten ihr den Weg in den Hauptteil der Burg, also musste sie in die entgegengesetzte Richtung rennen. Frischer Schnee verwischte ihre Spuren, und ihr Atem kam in frostigen Wolken heraus. Ihre Angreifer rannten hinter ihr her und mussten sich ebenso anstrengen wie sie, um auf dem glatten Flur nicht auszurutschen.
Sie rannte um die Ecke in einen unbeleuchteten Gang. Sie lief weiter, bis sie nichts mehr sehen konnte und von vollkommener Dunkelheit umgeben war. Das, so dachte sie, war
eine hervorragende Gelegenheit, um herauszufinden, ob ihre Fähigkeit noch funktionierte.
Sie berührte ihre Brosche, aber nichts geschah. Es war ohnehin anzunehmen, dass Uxton und die anderen nur ihren Spuren im Schnee hätten folgen müssen, selbst wenn sie unsichtbar geworden wäre.
Weitere Kostenlose Bücher