Die Botin des Koenigs reiter2
»Was ist denn?« Immer noch antwortete er nicht. Schließlich legte sie ihm die Hand auf die Schulter. Sie ging durch ihn hindurch. Karigan riss die Hand weg und schnappte nach Luft.
War er der Geist oder sie?
Sie berührte sich selbst. Fest und warm. Ihr Umhang war immer noch feucht vom Regen, aber er hatte einen silbriggrünen Schimmer angenommen. Sie fühlte sich wirklich, aber vielleicht erging es Geistern ebenso.
Nein, ich bin am Leben. Und der Junge?
Die Kerzenflamme zischte ein letztes Mal, und nach einem kurzen Augenblick des Nachglühens versank alles in Dunkelheit. Der Junge wimmerte und schluchzte noch lauter.
Armer Junge, dachte Karigan. Er sitzt hier fest, und ich kann ihm nicht helfen. Ich sitze ebenso im Dunkeln fest wie er.
Aber kaum hatte sie das gedacht, als auch schon ein Licht am Ende des Flurs erschien und sich stetig näherte. Es war eine hell scheinende Lampe, die ihre Trägerin in eine goldene Kugel hüllte. Eine Frau in der Uniform der Grünen Reiter.
Karigan lächelte erleichtert. Typisch, dass es ein Reiter war,
der sie rettete. Aber als die Frau näher kam, konnte sie sie nicht sofort erkennen. Ihre Züge waren irgendwie vertraut, aber …
Ich dachte, ich würde sie alle kennen … Karigan ging im Geist die Namen durch, aber dann erhob die Frau die Stimme.
»Mein Prinz?«
Prinz?
Der Junge schniefte und blickte auf.
Die Reiterin kniete sich neben ihn, stellte vorsichtig die Lampe auf dem Boden ab und umarmte ihn fest. Ihre Miene zeigte immense Erleichterung.
»Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Joss zerreißt sich schier, und Eure Großmutter ist außer sich. Den Göttern sei Dank, dass ich Euch gefunden habe.« Nun wurde sie streng. »Ich dachte, ich hätte Euch davor gewarnt, Euch hier herumzutreiben. Diese alten Gänge sind wie ein Irrgarten, und es hätte Tage dauern können, bis wir Euch gefunden hätten. Was ist in Euch gefahren?«
Der Junge schluchzte an der Schulter der Reiterin. Sie streichelte sein helles, beinahe blondes Har. »Am-Am …« Er hickste. »Amilton.«
Der Name ließ Karigan erstarren.
»Amilton.« Zorn zeichnete sich auf den Zügen der jungen Frau ab, aber ihr Ton blieb sanft. »Hat er Euch wieder geärgert? «
»J-ja.«
Amilton war tot. Wie konnte er … Dann erkannte Karigan plötzlich, wer diese junge Frau war: Hauptmann Mebstone.
Rotes Haar, zurückgebunden zu dem charakteristischen Zopf, glänzte im Lampenlicht. Eine junge Laren Mebstone, vor vielen Jahren, vielleicht in Karigans Alter oder doch nahe daran. Sie hatte noch keine grauen Strähnen an der Schläfe,
keine Falten um die Augen, und was das Verblüffendste war, keine braune Narbe am Hals. Ihre Züge wirkten, als wäre sie eher bereit zu lächeln, und sie hatte eine Unbeschwertheit an sich, die der Laren Mebstone, die Karigan kannte, längst abging.
Wenn das hier Hauptmann Mebstone vor vielen Jahren war, dann konnte der kleine Prinz nur …
»Zacharias«, sagte die junge Frau, »Ihr dürft Euch nicht von Eurem Bruder schikanieren lassen. Oder lasst es ihn zumindest nicht wissen, wenn er Euch schikaniert hat.«
»Er hat … er hat Schneeball geneckt. Mehr … mehr als geneckt.« Er sah aus, als würde er gleich wieder in Tränen ausbrechen.
Hauptmann Mebstone – sie wäre damals Reiter Mebstone gewesen – kniff den Mund zu einer geraden Linie zusammen. »Ich weiß, dass Ihr Schneeball am liebsten habt, und Amilton weiß das auch, und deshalb hat er sie geneckt. Pyram verspricht, dass er Amilton nicht mehr in die Nähe der Hunde lassen wird.«
»Aber Pyram – er ist nur der Hundemeister, und Amilton ist …«
»Ein Prinz? Amilton ist ein Junge. Eure Großmutter ist der gleichen Ansicht wie Pyram, und wenn Amilton Ärger macht, wird er sich vor ihr verantworten müssen. Und sie ist die Königin. Seine Grausamkeit hat ihn das Recht gekostet, auch nur in die Nähe der Hunde zu gehen.«
Zacharias, der kleine Zacharias, schniefte. »Stimmt das?« Hauptmann Mebstone – Karigan musste sie in Gedanken einfach so nennen – nickte. »Es stimmt «
Der Junge umarmte sie. »Danke, Laren!«
Sie lächelte strahlend, und Karigan dachte, dass sie den Hauptmann nie so leicht und strahlend hatte lächeln sehen.
»Sollen wir nun Joss suchen, bevor er graue Haare bekommt? « Zacharias verzog das Gesicht. »Warum kannst du nicht mein Leibwächter sein?«
Hauptmann Mebstone lachte. Wieder klang es erstaunlich natürlich. »Weil ich ein Reiter bin und die Königin auch Reiter braucht. Joss ist
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